25 Jahre Städtepartnerschaft Basel-Van

Dass für BastA! die kurdische Frage zu einem Schwerpunkt in der internationalen Solidaritätsarbeit wurde, ist kein Zufall. In Basel leben sehr viele Geflüchtete aus der Türkei, einige sind auch BastA!-Mitglieder.

Als im Jahr 1999 der Präsident der kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, in Kenia vom türkischen Geheimdienst aufgegriffen und in die Türkei entführt wurde, drohte ihm die Todesstrafe. Die kurdische Exilgemeinde war in Aufruhr. BastA!-Mitglieder mit türkischem Migrationshintergrund appellierten an die noch junge Partei, sich der Sache anzunehmen. Eine Versammlung «in kleinem Rahmen» wurde einberufen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Es kamen rund 80 Personen! Das Komitee «Solidarität mit Kurdistan» wurde gegründet. Wir veranstalteten Mahnwachen und forderten mit einer Petition den Bundesrat auf, sich dafür einzusetzen, dass Abdullah Öcalan nicht hingerichtet werde und einen fairen Prozess erhalte.

Die Kelimwerkstatt

Schon ein Jahr später entstand die Idee, die politische Arbeit hier in der Schweiz mit konkreter Unterstützung von emanzipatorischen Projekten vor Ort zu verbinden. Dank persönlicher Kontakte wurden wir auf die Kelimwerkstatt in Van aufmerksam. In dieser Werkstatt konnten junge Frauen nicht nur das traditionelle Handwerk der Teppichweberei erlernen und so ein Einkommen erzielen, sondern gleichzeitig einen Schulabschluss erwerben. Das Komitee «Solidarität mit Kurdistan» organisierte sich nun neu als Verein «Städtepartnerschaft 
Basel-Van». Nicht zuletzt mit dem Hintergedanken, die Stadt Basel dazu zu bewegen, eine offizielle Städtepartnerschaft mit Van einzugehen. Letzteres erwies sich allerdings als Illusion. Van war für das offizielle Basel nicht attraktiv genug. Die Städtepartnerschaft auf der Ebene engagierter Bürger*innen hingegen hat bis heute Bestand.

Die Wäscherei Maya

Exemplarisch für die Arbeit des Vereins (und mehr noch für die Arbeit der kurdischen Bürgermeister*innen) ist auch das zweite Projekt, das wir unterstützten, eine Wäscherei. Gülcihan Simsek, die damalige Bürgermeisterin der Vorortgemeinde Van-Bostanici, hatte uns für diese Idee begeistert. Um die Brisanz dieses Projekts zu verstehen, muss man den Hintergrund kennen. Auf dem Höhepunkt der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der kurdischen Arbeiterpartei PKK und dem türkischen Staat in den 90er Jahren zerstörte die türkische Armee unter dem Vorwand der «Terrorbekämpfung» systematisch kurdische Dörfer und vertrieb deren Bewohner*innen. Diese flüchteten zu Tausenden in die städtischen Zentren. An den Stadträndern von Van entstanden slumartige Siedlungen mit improvisierten Behausungen aus Backsteinen, Brettern, Wellblech, Lehm und Plastikblachen. Die Vertriebenen hatten aber nicht nur ihr Zuhause verloren, sondern auch das soziale Netz der Dorfgemeinschaft. Besonders darunter zu leiden hatten die Frauen. Die patriarchal geprägten Familienstrukturen erlaubten es ihnen nicht, ohne triftigen Grund allein das Haus zu verlassen. Die Wäsche zu waschen, war aber ein triftiger Grund, denn viele Haushalte verfügten damals noch nicht über Waschmaschinen. 
Hier setzte das Projekt an. Es erfüllte ein konkretes Bedürfnis. Vor allem aber ermöglichte es den Frauen, aus der häuslichen Isolation auszubrechen und sich mit andern Frauen zu vernetzen. In der Wäscherei wurden diverse Kurse und Beratungen angeboten. Auch standen den Frauen Näh- und Stickmaschinen zur Verfügung. Etwas später errichtete die Gemeinde auf dem Gelände der Wäscherei noch ein kleines medizinisches Ambulatorium. Die Nachfrage nach diesen Angeboten war so gross, dass schon wenige Jahre später in der Nähe ein weiteres Gebäude errichtet wurde: ein Bildungs- und Beratungszentrum für Frauen und Kinder. Auch dieses Projekt wurde vom Verein unterstützt.
Der Bau der Wäscherei wurde weitgehend mit Geldern aus Basel finanziert. Auch der Kanton Basel-Stadt steuerte auf Antrag des Vereins einen namhaften Betrag aus dem Fonds für Entwicklungszusammenarbeit bei. Die Frauen gaben der Wäscherei den Namen «Wäscherei Maya», zu Ehren von Vereinsmitglied Maya Heuschmann, die von der ersten Stunde an das Projekt mit viel Herzblut begleitet hatte.

Die Zäsur

Im Jahr 2016, nach dem missglückten Putschversuch, schlug dann die staatliche Repression brutal zu. Die gewählten kurdischen Bürgermeister*innen wurden abgesetzt, die von uns unterstützten Projekte geschlossen oder zweckentfremdet. Die Gemeinden unterstanden von da an AKP-treuen Zwangsverwaltungen. Projektarbeit, wie wir sie bis anhin praktiziert hatten, war nicht mehr möglich. Einige unserer Kontaktpersonen vor Ort wurden inhaftiert, andere leben heute im Exil, zum Teil auch in der Schweiz.

Der Verein unterstützte daraufhin den Aufbau eines Zentrums für Folterbetroffene in Van. Getragen wird das Zentrum von der türkischen Menschenrechtsstiftung TIHV, eine der wenigen Nichtregierungsorganisationen, die in der Türkei noch aktiv sein kann. Die Unterstützung dieses Projekts dauert bis heute an. Folter ist leider in der Türkei nach wie vor an der Tagesordnung.

Neben der Projektarbeit waren wir über all die Jahre hinweg auch hier in der Schweiz weiterhin politisch aktiv: Wir organisierten Veranstaltungen mit Menschenrechtsaktivist*innen und Filmvorführungen. Auch informieren wir unsere Mitglieder und Gönner*innen regelmässig mit Rundschreiben über die aktuellen Entwicklungen in der Türkei. 

Motivationsschub

Auf diversen Delegationsreisen lernten wir viele engagierte Menschen vor Ort kennen. Es entstanden freundschaftliche Beziehungen, die bis heute andauern. Die Art und Weise, wie die kurdischen Politiker*innen unter schwierigsten Bedingungen ihre Arbeit verrichteten, hat uns tief beeindruckt. Unaufgeregt und pragmatisch griffen sie die Anliegen der Bevölkerung auf und entwickelten gemeinsam mit den Betroffenen konkrete Massnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen. Dabei mussten sie jederzeit damit rechnen, verhaftet, angeklagt und zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt zu werden. 

Wir können von diesen mutigen Menschen, die sich unter prekären Umständen für eine gerechte Gesellschaft einsetzen, viel lernen, auch in Bezug auf die politische Arbeit hier in der Schweiz. Internationale Solidaritätsarbeit kann sehr bereichernd und motivierend sein.

Martin Flückiger, 
Redaktion Bulletin und Gründungsmitglied Städtepartnerschaft Basel-Van