Wahlbeobachtung Kommunalwahlen Türkei: Der grosse Wählertransfer

Vom 28. März bis 04. April nahm BastA! an der Beobachtung der Kommunalwahlen in der Türkei teil. Die internationale Delegation beobachtete die mehrheitlich kurdisch besiedelten Gebiete im Osten der Türkei. Dabei beobachteten sie nicht nur ein enormes Aufgebot an Polizei und Militär, sondern auch einen gross organisierten Wählertransfer, bei dem Staatspersonal wie Soldaten und Polizisten speziell für die Wahlen in den Südosten der Türkei gebracht wurden.

Dieser Bericht wurde verfasst, um der internationalen Gemeinschaft und den damit verbundenen Institutionen den Wahlbetrug in den kurdisch besiedelten Provinzen vor Augen zu führen.  Der Bericht ist basiert auf den Beobachtungen und Erfahrungen von 125 internationalen und unabhängigen Wahlbeobachtern.

Zusammenfassung des Berichts

Im Verlauf unserer Wahlbeobachtung waren fast alle Delegationen mit Einschüchterungen und Zugangsverboten durch die Behörden konfrontiert. Neben einigen Unregelmässigkeiten und dem Verdacht auf Wahlmanipulation durch Bestechung und Erpressung in mehreren Regionen konnten wir zwei grobe und weit verbreitete Verstöße feststellen. Erstens, eine übermäßige und einschüchternde Polizei- und Militärpräsenz in fast allen Gebieten. In zwei Regionen (Van und Şirnak) wurden im Anschluss an die Wahlen auch Repressionen gegen die Bevölkerung und die Partei DEM dokumentiert. Zweitens eine neue Strategie zur Beeinflussung des Wahlergebnisses durch gezielte Wählertransfers von 46.901 Staatsbediensteten wie Polizisten und Soldaten.

Während in den Vorjahren der Wählerwille durch gezielte politische Repression, die Inhaftierung von gewählten BürgermeisterInnen und den Einsatz von Treuhändern unterlaufen wurde, wurden diesmal Staatsbedienstete wie Polizisten und Militärs zur Stimmabgabe in die kurdischen Gebiete geschickt. In einigen Fällen wurden diese Personen über einen Zeitraum von 6 Monaten in den Regionen registriert. In anderen Fällen wurde das Verfahren ad hoc durchgeführt. Massen von Männern zwischen 20 und 30 Jahren wurden in Regierungsgebäuden wie Polizeistationen registriert und verbrachten die Nächte in Schulen und Universitäten, die in den Tagen vor der Wahl speziell für diesen Zweck geräumt wurden. Der Einsatz von Sicherheitskräften, um die Wahlbeteiligung der lokalen kurdischen Bevölkerung, anderer lokaler Minderheiten und insbesondere von Frauen zu verringern, kann als strategisch betrachtet werden, da sich diese Wählerverschiebungen auf Regionen konzentrierten, in denen ein knappes Wahlergebnis zwischen AKP, MHP oder DEM-Partei erwartet wurde, und die Teilnahme von Tausenden von Soldaten das Ergebnis kippen könnte.

Unserer Ansicht nach ist dies ein grober und bewusster Versuch, die Kommunalwahlen gegen die Oppositionspartei zu manipulieren. Wir möchten die internationale Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen und die offiziellen Wahlbeobachtungsinstitutionen auffordern, die Wählerverzeichnisse der betroffenen Regionen zu überprüfen, um ein endgültiges Bild zu erhalten.