Sozialistische Haltung und politische Praxis

Wer die Hoffnung organisieren will, braucht eine politische Praxis, die verbindet. BastA! wurde als Partei mit Bewegungscharakter gegründet. Das Ziel war ein «in-between» aus Parlament und Bewegung, das bis heute Bestand hat.

AI generiert mit Chat GPT

BastA! ist keine Kaderpartei – obwohl es sich manchmal so anfühlt, weil doch zu viel Arbeit bei zu wenigen landet. Unser Verständnis von Sozialismus bedeutet auch ein Eintreten für radikale Demokratie, die sich auf Selbstbestimmung, internationale Solidarität und das aktive Eingreifen der Menschen in die Geschichte stützt. Diese Ideen brachte bereits Rosa Luxemburg im Programm des Spartakusbunds unter dem Titel «Was will der Spartakusbund?» zu Papier und ging damit so manchem sozialistischen Kader ordentlich auf die Nerven: «Das Wesen der sozialistischen Gesellschaft besteht darin, dass die grosse arbeitende Masse aufhört, eine regierte Masse zu sein, vielmehr das ganze politische und wirtschaftliche Leben selbst lebt und in bewusster freier Selbstbestimmung lenkt.»

Pessimismus des Verstandes, Optimismus des Willens

Auch der italienische Kommunist Antonio Gramsci beschäftigte sich mit der Frage der Haltung und forderte schonungslose Analyse der Kräfteverhältnisse mit einem unbeirrbaren Glauben an die Möglichkeit von Veränderung durch kollektives Handeln ein. Von ihm wissen wir, dass Herrschaft nicht nur durch Zwang, sondern auch durch Hegemonie, also Kultur, Bildung und Medien, aufgebaut wird und dass es Aufgabe der sozialistischen Parteien ist, Gegenhegemonie aufzubauen. Sozialismus ist damit nicht nur ein politisches Ziel, sondern auch eine kulturelle Praxis. Der Sozialismus ist nicht nur ein Akt der Eroberung der Macht, sondern ein langwieriger Prozess der Umformung der Gesellschaft.

Den sozialistisch-feministischen Wärmestrom organisieren

Es reicht nicht, gegen den Kapitalismus, das Patriarchat und ökologischen Raubbau zu sein. Vielmehr müssen wir Orte organisieren, in denen wir den Alltag mit anderen zusammen gestalten können. Ein Raum, in dem über den Alltag der Menschen entschieden wird, ist das Parlament. Wobei die Menschen hier nur als «politische Objekte», über die entschieden wird, vorkommen. 
Im aktuellen Kräfteverhältnis lassen sich die Bürgerlichen zwar den einen oder anderen Kompromiss abringen, doch grosse Würfe bleiben aus. Erfolgreich war BastA! dort, wo wir breite gesellschaftliche Bewegungen im Rücken hatten und Menschen sich in den Quartieren widerständig organisierten.
Diese Bewegungen brauchen Zeit, Kraft und Geld. Lange halten sie nicht, denn der Alltag, die 42-Stunden-Normalarbeitszeit und Kinderbetreuung kosten zu viel Energie, um gleichzeitig und langfristig gesund engagiert zu bleiben. Doch auch eine kurzfristige kollektive Erfahrung gemeinsamer Kämpfe verändert uns – sei das in den feministischen Streikbewegungen oder auch in anderen transformativen Kämpfen wie der Klimagerechtigkeitsbewegung um Basel2030.

Fragend voranschreiten

Die Erfahrungen der Haustürgespräche bei Basel2030 waren eindrücklich. Menschen bedankten sich, weil sich vorher noch nie jemand für sie interessiert hatte. Wieder andere waren überfordert damit, dass jemand ernsthaft nach ihrer Situation und ihren Bedürfnissen fragt. Vielmehr ist es die Regel, dass Linke eine Frage als Einstieg nutzen, um anschliessend eine ausführliche Analyse imperialer oder wahlweise kapitalistischer Ausbeutung zu formulieren – ein 10-Minuten-Monolog, für den nun wirklich niemand Zeit oder Interesse hat.
Aber es ist das ehrliche Interesse am Leben der Mitmenschen, das uns als Sozialist*innen ausmacht und mit dem wir arbeiten müssen – ohne in die Falle der Belehrung zu tappen.

Es darf uns niemals darum gehen, die Menschen zu regieren. Stattdessen muss mit den Menschen die Veränderung organisiert werden. Die Herausforderung besteht darin, Selbstveränderung und Gesellschaftsveränderung zusammen zu bringen. Rassismus, Misogynie, Queerfeindlichkeit, Antisemitismus, Armenfeindlichkeit und Ableismus … all das sind Haltungen, die tief in unserer Gesellschaft verankert sind und auch vor dem «revolutionären Subjekt» nicht haltmachen. Und so sehr wir es ablehnen, auch wir produzieren Unterdrückung täglich mit. Wir brechen sie aber nicht auf, indem wir uns ausschliesslich in Theoriezirkel zurückziehen. Natürlich braucht es auch hier Haltung und Reflexion, aber ich bin davon überzeugt, dass sich diese Spaltungen und Unterdrückungen nur über einen gemeinsamen Kampf und ehrliches Interesse aneinander überwinden lassen – indem wir gemeinsam #radikalmenschlich handeln.

Quartiere organisieren – eine politische Utopie?

Im Austausch mit türkischen und kurdischen Partnerorganisationen haben wir erfahren, wie vielfältig das Parteileben organisiert sein kann. Neben Themengruppen pflegen die Parteien ein vielfältiges kulturelles und sportliches Engagement, das viel mehr Menschen an die Partei bindet, als die Politik selbst. Diese Räume schaffen Austausch und Verständnis.

Das sozialistische Ziel ist es, in den Quartieren die Gestaltung des Lebens zu organisieren – nicht von oben, sondern getragen von den vielen und BastA! mittendrin statt nur dabei. Vielleicht mit einem Teehaus, einer Sozialberatung oder einem anderen konkreten Ankerpunkt für die vielen.
Vielleicht bieten auch die rätedemokratischen Strukturen des «demokratischen Konföderalismus» Ansätze, wie sich diese konkrete Utopie verwirklichen  lässt. Die Stärke der Ideen Abdullah Öcalans liegt nicht nur in seinen Haltungen zu Frauenbefreiung und Ökologie, sondern auch darin, dass Menschen sich in Räten an der konkreten Umsetzung ihrer Entscheidungen beteiligen. Durch diese ganz konkrete Beteiligung findet eine kollektive Aneignung des öffentlichen Raums statt, die gegen Entfremdung und Vereinzelung wirkt.
Ich bin davon überzeugt, dass BastA! mit einer festen, klaren und trotz alledem heiteren Haltung kann ausserhalb politischer Wahlkonjunkturen zu einer sozialistischen Gesellschaft beitragen kann. Los geht’s!

Franziska Stier, 
Parteisekretärin BastA!