Rede von Oliver Bolliger Anzug Thüring betr. Herzl-Gedenktafel beim Stadtcasino

Heute überwies der Grosse Rat mit mit 55:10 Stimmen (bei 27 Enthaltungen) einen Anzug zur Installierung einer Herzl-Gedenktafel beim Stadtcasino, die auf die Gründung des Judenstaates in Basel von 1897 hinweist.

Dazu möchten wir die Rede unseres Präsidenten und Grossrats Oliver Bolliger veröffentlichen.

Oliver Bolliger, Foto: Nils Fisch

Herr Präsident, Frau Statthalterin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen

Die BastA! bestreitet die Überweisung dieses Anzugs und mir ist es wirklich wichtig, dass sie sich dazu nochmals Gedanken machen. Ich versuche ihnen meine Gründe gegen die Überweisung darzulegen und hoffe sehr, dass sie sich kurz überlegen, ob die jetzige Weltlage und der Zeitpunkt einen solchen politischen Vorstoss wirklich zulassen.  

Der Anzug möchte am Stadtcasino eine Gedenktafel zu Theodor Herzl und seiner Ideologie zur Gründung des Judenstaats im Rahmen des ersten Zionistenkongress von 1897 für Touristen anbringen zu lassen.  

Es geht hier also nicht darum, das Interesse und Bewusstsein der Bevölkerung an einer kritischen historischen Auseinandersetzung zur Person Herzl, zum Zionistenkongress, zum Antisemitismus und auch nicht, um die im Anschluss der israelischen Staatsgründung, entstanden dramatischen geopolitischen Folgen für die Bevölkerung im Nahen Osten zu wecken und im öffentlichen Raum sichtbar zu machen. Dies wäre ja durchaus sinnvoll.  

Nein – hier geht es um etwas anderes. Das Datum ist nicht zufällig. Vor einer Woche wäre die Überweisung des Anzugs exakt am Datum der Staatsgründung vom 14. Mai gewesen. Die Ausrufung der Unabhängigkeit 1948 löste einen Krieg in der Region aus, welcher bis heute für alle Menschen – unabhängig ihres Glaubens und ihrer nationalen Zugehörigkeit - einen grossen Einschnitt hinterlassen hat und generationenübergreifende Traumata entstehen liess. Einen Tag später findet der Gedenktag für die palästinensische Vertreibung der rund 700‘000 Menschen statt. Es gibt den einen Tag, nicht ohne den anderen.

Die geforderte Gedenktafel betrifft neben der Person Herzl auch seine nationalistische Ideologie eines eigenen jüdischen Staats im Nahen Osten. Dass vor rund 125 Jahren diese Idee aufkam, kann politisch durchaus eingeordnet werden, prägte der Nationalismus und Imperialismus die Politik und das Leben der Menschen zu dieser Zeit. Ein Nationalismus der die Menschheit schliesslich in die beiden grauenhaften Weltkriege führte. Die jüdische Bevölkerung war durch den herrschenden Antisemitismus in Europa stark bedroht. Der zionistischen Idee eines eigenen Nationalstaats, bspw. in Palästina, folgte zu dieser Zeit, aber trotzdem nur eine Minderheit der jüdischen Bevölkerung. Herzl legte jedoch den ideologischen Grundstein für den Zionismus und jüdische Nationalbewegung, auf die sich nun die extreme rechts-nationale Regierung Israels beruft. Ohne Kritik an der Person Herzl und seiner nationalistischen Ideologie, wäre heute eine Gedenktafel undenkbar. Aber nicht nur historische Gründe sprechen dagegen.

Wer in der aktuellen humanitären Katastrophe in Gaza und in den palästinensischen Gebieten, einen solchen Anzug der Regierung überweist, entschuldigen sie dass ich hier ein wenig deutlich werde, handelt verantwortungslos und unklug.  

Meine Damen und Herren – ich muss sie ja eigentlich nicht darauf aufmerksam machen, dass die Regierung von Netanjahu seit Wochen keine Hilfsgüter, welche an den Grenzen bereitstehen, passieren lassen, die palästinensische Bevölkerung aushungern lässt, überlebensnotwendige medizinische Hilfe blockiert und wieder Angriffe gegen Spitäler, Infrastruktur und die Menschen in Gaza fliegt. Dies ist ihnen bekannt. Die EU-Fraktionschefs von konservativ bis links fordern gemeinsam eine sofortige Aufhebung der Blockade und die Sicherstellung der humanitären Nothilfe für die Bevölkerung. Auch der Widerstand der israelischen Zivilbevölkerung gegen diesen Krieg wächst an. Die Berichte der internationalen Hilfsorganisationen sind erdrückend.

Die historischen Gegebenheiten zur Gründung des Staates Israels und die daraus entstanden Folgen sind vielschichtig und eine Gedenktafel zu Theodor Herzl wird dem in keiner Weise gerecht.  Diesen, aus meiner Sicht, klar politisch motivierten Vorstoss, sollen und dürfen wir nicht überweisen. Ich bitte Sie also sich entweder zu enthalten oder diesen Anzug abzulehnen.

Ich werde beim Anzug Furlano nicht sprechen, möchte aber für das Protokoll dem Regierungsrat noch zwei Punkte mitgeben.  

Dieser Anzug bräuchte es nicht – nicht weil kein Bedarf besteht - sondern weil die Regierung schon lange eine Task-Force einrichten könnte – die gesetzliche Grundlage und der politische Auftrag bestehen schon aufgrund des Anzugs „kantonaler Massnahmenplan Bekämpfung Antisemitismus“ von Herr Messerli.

Für die inhaltliche Arbeit der Task-Force wird zudem entscheidend sein, nach welcher Antisemitismus-Definition sie sich ausrichten wird. Und ich mache beliebt, die von fortschrittlichen israelischen Wissenschaftler:innen veröffentlichte „Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus“ als Grundlage zu wählen. 

Besten Dank

Oliver Bolliger