Nicht bye-bye, sondern auf wiedersehen: Tonja Zürcher tritt aus dem grossen Rat zurück

Als ich um einen Rückblick auf die Zeit von Tonja Zürcher im Grossen Rat und um eine Würdigung ihres Engagements gebeten wurde, stellte ich mir das relativ einfach vor und sagte zu. Ich hatte dann aber eine unerwartete Schreibblockade, die sich erst löste, als ich meine Herangehensweise änderte. Die Vorstellung, dass Tonja sich endgültig aus der Parlamentsarbeit zurückzieht, wollte mir einfach nicht gelingen. Erst als ich von einer – durchaus verdienten – Pause ausging, konnte ich mich an die Arbeit machen.

Aus meiner persönlichen Sicht ist Tonja mit etwas mehr als 40 Jahren noch viel zu jung für einen definitiven Abschied. Zudem bringt sie Expertinnenwissen in vielen Themenbereichen mit, die sehr wichtig für die Arbeit der BastA!-Fraktion sind, und sie hat sich auch mit grossem Elan in neue Themen eingearbeitet. 

Kommissionsarbeit

Die breite Themenpalette zeigt sich in den Kommissionen, in denen Tonja während ihrer neun Jahre im Grossen Rat mitgearbeitet hat. Zu Beginn war sie für ein halbes Jahr Mitglied der Geschäftsprüfungskommission (GPK), die Aufsichtsfunktion über sämtliche Bereiche der kantonalen Verwaltung, der Gerichte und des Regierungsrats hat. Seit Februar 2025 ist Tonja wieder in der GPK. Der Kreis schliesst sich …
Dazwischen hatte Tonja als einzige Vertreterin von BastA! Einsitz in der Spezialkommission Klimaschutz und sie vertrat BastA! in der Petitionskommission, die sie auch eine Zeit lang präsidierte. Am längsten, nämlich die ganzen neun Jahre ihrer Grossratszeit, war sie in der Bau- und Raumplanungskommission, dort konnte sie enorm viel Fachwissen einbringen – in die Kommissionsarbeit, aber auch beim Vermitteln der Inhalte an die Fraktion und in den Plenumsdebatten.

Leidenschaftliche Plenumsvoten

Tonjas Arbeit in den verschiedenen Kommissionen können wir nicht aus erster Hand beurteilen, da die konkreten Diskussionen dem Kommissionsgeheimnis unterstehen. Die Voten in den Plenumssitzungen des Grossen Rates sind jedoch öffentlich und werden auch protokolliert.
Schon an ihrer allerersten Grossratssitzung schritt sie zum Rednerinnenpult und äusserte sich zur geplanten Erweiterung der Wohncontainer für geflüchtete Menschen. Und sie verknüpfte die leider notwendige Schaffung von zusätzlichen Wohncontainern für Geflüchtete gleich mit der Wohnungsnot in Basel und forderte vom Regierungsrat, dieses Problem aktiv zu lösen und nicht auszusitzen. 
Es gab kaum eine Grossratssitzung, an der sich Tonja nicht zu Wort meldete, und kaum ein Thema, das sie nicht bearbeiten konnte. Ihre Reden betrafen Verkehr, Verkehrssicherheit und Stadtplanungsfragen, gewerkschaftliche Anliegen, aber auch soziale Fragen, Grundrechte, Menschenrechte, Mietrecht, Umweltthemen und noch viel mehr. 
Ich hatte oft den Eindruck, dass sie jeweils zu rhetorischer Hochform auflief, wenn besonders viel Widerstand vonseiten der Bürgerlichen – manchmal aber auch der Grünen oder der SP kam. Ein grosses Vergnügen waren immer ihre schlagfertigen Antworten auf mehr oder weniger intelligente oder provokante Zwischenfragen.

Wichtige Vorstösse

Auch bei den zahlreichen Vorstössen, die Tonja eingereicht hat, waren die Themen so breit gestreut, dass ich unmöglich alle aufzählen kann. Deshalb hier nur drei willkürlich ausgewählte Beispiele, die das wichtige Schaffen von Tonja im Grossen Rat illustrieren sollen: 

  • Motion betreffend Jobsharing bei Kaderstellen, mit der der Regierungsrat aufgefordert wurde, eine gesetzliche Vorlage auszuarbeiten, womit Jobsharing insbesondere bei Kaderstellen aktiv gefördert wird. Die Motion wurde letztendlich als unverbindlicher Anzug überwiesen und später abgeschrieben. Der Regierungsrat war der Ansicht, dass die Grundlagen für eine aktive Förderung des Jobsharings vorhanden seien und es keiner weiteren rechtlichen Modalitäten bedürfe. Die Förderung des Jobsharings sollte jedoch mit Massnahmen ergänzt werden, die die Akzeptanz dieses Teilzeitmodells, speziell bei Kaderstellen, beim Arbeitgeber Basel-Stadt weiter erhöhen sollen.
  • Anzug betreffend Förderung der politischen Partizipation von Migrant*innen auf Quartierebene, mit dem der Regierungsrat gebeten wurde, ein Programm zur Verbesserung der Partizipation von Migrant*innen an Entwicklungen in ihrem Quartier zu lancieren und das Modell «Bezugspersonen für Neuzuzüger» zu prüfen. Der Anzug wurde einmal stehen gelassen, also gegen den Willen des Regierungsrats nochmals zur Beantwortung in Auftrag gegeben. Beim zweiten Mal wurde er aber abgeschrieben. Der Regierungsrat sah keinen dringenden Handlungsbedarf, eigens für die Migrationsbevölkerung ein spezifisches Programm aufzubauen, und lehnte deshalb das Anliegen ab.
  • Motion betreffend Schulwegsicherheit, mit der der Regierungsrat aufgefordert wurde, spätestens bis in zwei Jahren alle Schulwege gemäss Schulwegplan tatsächlich sicher zu machen. Diese Motion wurde erst im April dieses Jahres dem Regierungsrat gegen seinen Willen als Motion überwiesen und nicht als weniger verbindlicher Anzug. Auch wenn die Frist zur Erfüllung bis 2029 läuft, zeigt dieser Vorstoss jetzt schon Wirkung und wurde mehrfach von Verkehrsplaner*innen als Referenz für aktuelle Planungen erwähnt. 

Fazit: Tonjas Rücktritt aus dem Grossen Rat ist ein herber Verlust und ist deshalb nur in der Vorstellung als verdiente Pause mit unbedingter Option zur Wiederkehr irgendwie erträglich. 

Vielen Dank für Dein grosses Engagement, liebe Tonja. 

Heidi Mück, Grossrätin BastA!