Forderungen zur Corona-Krise: Ein Schutzschirm für die Menschen

Die Covid-19-Pandemie traf unsere Gesellschaft wie ein Blitz. Der Bund schränkte zahlreiche Grundrechte und wirtschaftliche Freiheiten ein, um die ungebremste Ausbreitung des Virus zu verhindern. Das Virus bedroht uns zwar alle, aber die gesundheitlichen und ökonomischen Auswirkungen sind längst nicht für alle Menschen gleich. In dieser Krise zeigt sich zum einen, wie wichtig ein gut entwickelter Sozialstaat und ein gutes Gesundheitssystem sind. Zum anderen wird klar, wie verheerend die Auswirkungen einer neoliberalen Austeritätspolitik viele Länder trifft. Zudem zeigt sich jetzt, dass die Politiker*innen, welche ihren Entscheiden wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde legen, statt einzig die Interessen der Wirtschaft, für die Menschen die besseren Entscheidungen getroffen haben und die Pandemie besser in den Griff bekommen. Das sollte uns auch in Zukunft eine Lehre sein, wenn es darum geht, nicht nur weitere Pandemien zu verhindern, sondern auch die noch verheerenderen Auswirkungen des Klimawandels.

Ein Schutzschirm für Menschen – nicht für die Wirtschaft

Die Krise hat uns einmal mehr gezeigt, dass es der Markt eben nicht richtet: Schwarzmärkte für Toilettenpapier, Mangel an Desinfektionsmitteln und enorme Preissteigerungen für Atemschutzmasken. Vieles, was lange als unumstössliche ökonomische Wahrheit galt, wird nun über Bord geworfen: Schuldenbremse – passé! Schwarze Null in öffentlichen Haushalten – war gestern, Staatsschulden – absolut angesagt! Arbeitskämpfe in Italien und staatliche Verordnungen erzwangen Veränderungen in der Produktion, sodass beispielsweise General Motors chirurgische Atemschutzmasken produzierte, anstatt Autos. Während Millionen Menschen plötzlich vor der Erwerbsarbeitslosigkeit stehen oder in Kurzarbeit geschickt werden, beschliessen viele Staaten Milliardenpakete zur Rettung der Wirtschaft. Die US-Regierung investiert mehr als 2000 Milliarden Dollar, um ihre Wirtschaft zu stabilisieren. Viele der Konzerne, die diese Hilfen annehmen, scheuen sich nicht, ihre Mitarbeiter*innen dennoch zu entlassen und Dividenden an ihre Aktionär*innen auszuschütten. Das darf nicht sein. Die Schweiz hat einen besseren Weg gewählt. Die Milliarden, die der Staat bisher zur Verfügung stellt, dienen vor allem dem Erhalt der Arbeitsplätze über die Kurzarbeit und der Existenzsicherung der Selbständigen und KMU.

Staatliche Unterstützung von Unternehmen in der Krise muss an Bedingungen geknüpft sein: Unternehmen, die staatlich gesicherte Kredite oder Direkthilfen erhalten, müssen auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Für die Schweiz heisst dies: Wer von Kurzarbeit profitiert, darf niemanden entlassen und auch keine Dividenden ausschütten. Deshalb erwarten wir, dass die Massnahmen des Bundes nachgebessert werden. Firmen, die in den letzten Jahren grosse Profite gemacht haben, müssen sich an den Kosten der Krise beteiligen. Dafür müssen mittlere und kleine Unternehmen, welche die Mehrheit der Arbeitsplätze in der Schweiz anbieten, aber keine grossen Gewinne erzielen und kaum Rückstellungen haben, staatlich auch mit A-fonds-perdu-Beiträgen unterstützt werden.

Zudem zeigt sich in dieser Krise auch, dass es grosse Unternehmen in unserem Land gibt, welche mit der Gesundheit der Menschen riesige Profite machen,  aber nicht mehr bereit sind, die Versorgung mit den lebensnotwendigen medizinischen und pharmazeutischen Gütern zu gewährleisten. Unsere Pharmamultis haben aus Profitgründen die Forschung im Bereich Impfstoffe und neue Antibiotika aufgegeben und lassen die Grundstoffe in Indien und China produzieren, weil dies billiger ist und ihre Profite erhöht. Im Pharmabereich, das hat die Pandemie jetzt gezeigt, braucht es dringend den Aufbau eines staatlichen Sektors und eine gewisse Deglobalisierung bei der Produktion der wichtigen Wirkstoffe.

Wir wollen nicht zurück zur Normalität. Die Normalität ist das Problem!

Wenn die Pandemie vorbei ist, darf es nicht einfach weitergehen wie vor der Krise. Aus den Erfahrungen der Krise lernen, heisst unter anderem:

  • Ein staatlich finanziertes Investitionsprogramm zur Bekämpfung der Krise muss dem dringend nötigen ökologischen Umbau dienen.
  • Der Sozialstaat muss gestärkt, die sozialen Sicherungssysteme für alle Menschen ausgebaut und zugänglich gemacht werden.
  • Das Gesundheitswesen ist so zu konzipieren, dass es ausschliesslich den Interessen der Menschen dient und auch für Krisen gewappnet ist. Gesundheit ist keine Ware, deshalb dürfen Spitäler, Pflegeheime und andere Gesundheitsdienste keinen Profitinteressen dienen, sondern müssen öffentlich sein, demokratisch kontrolliert und über Steuern oder über eine einkommensabhängige und paritätisch finanzierte Einheitskrankenkasse finanziert werden. 
  • Das System der Fallpauschalen im Gesundheitswesen ist abzuschaffen.
  • Betriebswirtschaftliche Ansätze dürfen im Gesundheitswesen, wie auch in der Bildung und Betreuung nicht im Vordergrund stehen.
  • Welche Ressourcen für unser Gesundheitswesen nötig sind, soll von den medizinischen Fachpersonen geprüft und von den zuständigen Behörden oder allenfalls vom Souverän demokratisch bestimmt werden.

Systemrelevante Arbeit aufwerten und anerkennen – das Leben wieder ins Zentrum stellen

Es sind vor allem Frauen*, die im Supermarkt und im Care-Bereich die Gesellschaft am Laufen halten. Sie pflegen Kranke und betreuen Kinder. Sie sind es auch, die mehrheitlich die notwendige Nachbarschaftshilfe leisten. Erstmals werden all diese Tätigkeiten – bezahlt, wie unbezahlt – auch in den Sonntagsreden der Politik als systemrelevant betrachtet. Die Corona-Krise hat gezeigt, welche Tätigkeiten für die Menschen wirklich relevant sind: die Sorge-Arbeit und die Arbeit in der Produktion und Verteilung von Lebensmitteln,  die Arbeit der Angestellten im öffentlichen Dienst, von den Beschäftigten im öffentlichen Transportwesen über die Feuerwehr bis zur Kehrichtabfuhr. Gerade diese Tätigkeiten, die für unser Leben unerlässlich sind, sind teilweise schlecht bezahlt und wenig anerkannt. Dass wir zu wenig Pflegepersonal haben, hat mit der schlechten Entlohnung, bzw. den schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege zu tun. Es braucht dringend mehr Pflegepersonal und kürzere Arbeitszeiten in der Pflege, damit Pflegeberufe attraktiver werden. Ähnliches gilt für andere Bereiche der Care-Arbeit wie zum Beispiel die Kleinkindererziehung. Diese muss Teil des öffentlichen Bildungswesens werden mit genügend gut ausgebildetem und entsprechend entlöhntem Personal.

Die Pandemie hat veranschaulicht, wie verletzlich unser System ist und wie schnell unser Wohlstand bedroht wird. Sie hat uns gezeigt, was für unsere Gesellschaft wirklich wichtig ist. Wir müssen darüber reden, wie diese notwendige Arbeit neu und gerecht verteilt wird. Wenn wir das Leben ins Zentrum stellen, heisst das zugleich, dass das Profitdenken in den Hintergrund rückt. Eine gerechte Neuverteilung von Zeit, Macht, Raum und Geld muss angestrebt werden. Das heisst, dass wir eine Diskussion führen müssen über:

  • eine gerechte Verteilung der Erwerbs- und Nicht-Erwerbs-Arbeit, um familiäre und soziale Verantwortung zu übernehmen und zu teilen, mit dem Zielbesser und gesünder zu leben;
  • die solidarische Organisation und gesellschaftliche Anerkennung von Care-Arbeit! Die anfallende Betreuungsarbeit muss gleichberechtigt unter den Geschlechtern aufgeteilt werden;
  • eine deutliche Arbeitszeitverkürzung, um die Verteilung zwischen Erwerbs- und Nicht-Erwerbsarbeit sowie allgemeiner Tätigkeiten für das Gemeinwesen zu ermöglichen;
  • ein bedingungsloses Grundeinkommen, welches die Basis für ein existenzsicherndes und würdevolles Leben für alle bietet
  • die Familienarbeit, die von allen Teilen der Gesellschaft solidarisch getragen werden soll;
  • die politische Teilhabe und Mitbestimmung auf allen Ebenen der Organisierung der Gesellschaft.

Nationalismus und Abschottungspolitik bekämpfen

Die Abschottungspolitik der EU-Staaten und der Schweiz helfen nicht gegen eine globale Seuche. Wir Menschen brauchen einander und müssen regional wie global Verantwortung füreinander übernehmen. Die nachbarschaftliche Solidarität, die spürbar und hörbar wurde, darf nicht an den Landesgrenzen zum Erliegen kommen. Andererseits muss die Globalisierung ein Stück weit wieder zurückgenommen werden. Die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern darf nicht einfach in Billiglohnländer verlagert werden, nur um die Profite zu erhöhen.

Wir fordern:

  • Solidarität statt Abschottung: Regularisierung der Sans-Papiers um ALLEN Zugang zu Gesundheit und Sicherheit zu geben.
  • Teilweise Deglobalisierung der Wirtschaft: Die Krise zeigt, dass lange Lieferketten und Abschottungspolitiken Gefahren bergen. Wir müssen zu einem regionalen nachhaltigen Wirtschaften zurückfinden, das die konkreten Bedürfnisse des Lebens ins Zentrum stellt.
  • Solidarität mit Flüchtenden: Die Flüchtlingslager an den Grenzen der EU müssen evakuiert und den Menschen eine Perspektive eröffnet werden.

Eineandere Welt ist möglich

Unsere Forderungen kommen aus unserer Lebenswelt. Wir wissen, dass Krise nicht gleich Krise ist. Die Pandemie hat viele Folgen. Die Grausamsten sind mehr dem neoliberalen Kapitalismus, als dem Virus geschuldet.

Gleichzeitig sehen wir auch, dass die Krise Undenkbares möglich machte. So wurde staatliche Planung zur Versorgung der Menschen salonfähig; Portugal regularisierte Geflüchtete, damit sie Zugang zur Gesundheitsversorgung haben; Spanien plant die Einführung eines Grundeinkommens; in Italien führten wilde Streiks zum temporären Ende nicht notwendiger Arbeiten. Wir sehen, dass die Wirtschaft sehr schnell umgestellt werden kann. 

Diese Erfahrungen sind eine Lehre für die drohende Klimakatastrophe, die uns noch heftiger treffen wird als Covid-19.

BastA!-Koordination 19. Mai 2020