Zum Gedenken an Jürg Meyer

Abschied von einem Internationalisten

Foto: Frantisek Matous

Wo immer es soziale Gerechtigkeit zu erkämpfen galt, traf man auf Jürg. Seine politische Familie reichte weit über seine SP hinaus. So war er auch für soziale Bewe­gungen, soziale Institutionen und auch für viele Menschen im Umfeld der BastA! stets ein politischer Anker  und Kompass zugleich.

An so vielen politisch wichtigen Orten ist Jürg dabei gewesen, dass es unmöglich wäre, sie alle aufzuzählen. Stellvertretend seien die Stiftung Gertrud Kurz genannt, aus früheren Jahrzehnten auch SKAAL, ATD Vierte Welt, die Erklärung von Bern, das Basler Asylkomitee und die Asylkoordination Schweiz. Und es hätte keinen Ort gegeben, an dem er sich nicht in seiner klugen, unbestechlichen Art eingebracht hätte, stets faktenkundig - und frei von jeglichem Eigen­sinn oder Dünkel.

Auch beschwerliche Reisen scheute er nicht, wie sein grosses Engagement für die Städtepartnerschaft Van seit deren Gründung vor zwanzig Jahren belegt. «Jürg war uns immer ein verlässlicher Partner, wenn es darum ging, sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen», heisst es in ihrer würdevollen Anzeige in der WOZ von anfangs Mai. Und nicht nur das: «So oft hat uns sein unerschütterlicher Humor über schwierige Situationen an Sitzungen und auf Reisen hinweggeholfen.»

In derselben WOZ ist zu lesen, dass Jürg «unendlich geduldig und gütig» gewesen ist: «Ein Geschenk für Basel, für Riehen, für die Welt, und auch für uns, den Basler Mieterinnen­ und Mieterverband». Über 50 Jahre lang ist er im Vorstand von unserem Mieter­verband gewesen, hat viele Tausende unserer Mitglieder beraten und unterstützt, hat auch privat niemand abgewiesen, wenn nicht mietrechtliche soziale Fragen zu beantworten waren - ohne Ansehen und Geschlecht.

Dass er schon 1974 ein engagiertes und wichtiges Büchlein zur «Armut in der Schweiz» geschrieben hat, wurde wenig beachtet. Gefragter war sein fotografisches Gedächtnis, welches grad auch in bürgerlichen Redaktionen und Politkreisen gern ausgebeutet wurde. Oder dann zensurierte man Texte von ihm, weil sie, wenn auch vollkommen faktentreu, so doch «zu sozial» unnd zu wenig wirtschafts­gläubig angelegt waren.
Jürg aber zeigte stets Grösse und verzieh den bürgerlichen Journalisten und Chef­redaktoren. Und grad bei den kleinen Zensuren zeigte sich sein Schalk: Er konterte, indem er seine ursprüngliche, unzensierte Version jenen direkt Betroffenen zeigte, die durch die Zensur mitbetroffen waren - und entlarvte auf diese Weise grad auch noch ein kleines Stück bürgerliches Medienmacht­gebaren. Ohne Häme und ohne auf die Person zu spielen. Aber stets im Interesse der Sache, der sozialen Verbesserung und der Bekämpfung von Armut.

Beat Leuthardt, Grossrat BastA! und Wegbegleiter seit 1974