Wohnraumfördergesetz - Wer hat uns verraten?

Ende September urteilte das Basler Verwaltungsgericht, dass die Häuser am Steinengraben abgerissen werden dürfen.

Historische Wohnbauten müssen demnach Platz machen für Büroräumlichkeiten mit Alibi-Penthouse-Wohnungen, der Garten mit 100jährigen Bäumen, die von der Stadtgärtnerei als schützenswert eingestuft wurden, darf zerstört und überbaut werden.
Dieser höchst bedauerliche Gerichtsentscheid beruht auf dem Wohnraumfördergesetz, das als Gegenvorschlag zur Mieterverbands-Initiative „Bezahlbares und sicheres Wohnen für alle“ in einer Volksabstimmung im September 2013 angenommen wurde. Mit der Initiative wäre unter anderem der Kanton verpflichtet worden, für genügend bezahlbare Mietwohnungen für den Mittelstand und für genügend preisgünstige Mietwohnungen für wirtschaftlich schlechter gestellte Mietparteien zu sorgen.

Rot‐grüne Regierung will keine aktive Rolle im Wohnungsmarkt übernehmen
Doch diese Verpflichtung wollte die Regierung nicht eingehen. Vor der Abstimmung hatte sich deshalb der Regierungsrat auffallend eifrig für das Wohnraumfördergesetz und gegen die MVInitiative engagiert.
So traten zum Beispiel an einer Medienkonferenz gleich drei Regierungsräte (Eva Herzog, Hanspeter Wessels und Guy Morin) auf und versicherten, dass nur das Wohnraumfördergesetz dafür sorgen könne, dass es in Basel genug Wohnraum für alle gibt. Die MVInitiative hingegen würde – so die damaligen Aussagen der rotgrünen Regierungsräte am Ziel vorbei schiessen und die Wohnungsnot verschärfen. Die SP unterstützte zwar in der Parolenfassung die Initiative, folgte jedoch der Argumentation ihrer RegierungsrätInnen und gab dem Wohnraumfördergesetz in der Stichfrage den Vorzug. Die Grünen, die die MVInitiative abgelehnt hatten, freuten sich in einer Medienmitteilung nach der Abstimmung über die Annahme des Wohnraumfördergesetzes, weil „gemeinnütziger Wohnungsbau gefördert und energetische Sanierungen vereinfacht werden.“

Fauler Kompromiss
BastA! hatte sich schon in der Grossratsdebatte zur Initiative und ihrem Gegenvorschlag vehement gegen das Wohnraumfördergesetz und insbesondere gegen die Abschaffung des Gesetzes gegen Abbruch und Zweckentfremdung (GAZW) gewehrt.
Es wurden mehrere Änderungsanträge eingebracht, um die schlimmsten Auswirkungen zu mildern, doch diese wurden allesamt abgelehnt. Letztendlich entschied eine Mehrheit der GrossrätInnen, dass das Wohnraumfördergesetz als Gegenvorschlag zur MVInitiative zur Abstimmung kommen soll und bezeichnete diesen Entscheid als grossen politischen Kompromiss.
BastA! kritisierte dieses Manöver scharf, da einer Verfassungsinitiative, die eine sozialere Wohnpolitik zum Ziel hatte, ein Gesetz gegenübergestellt wurde, das gerade das Gegenteil bewirkt. Die Initiative beinhaltete klare Lösungsansätze zur Verbesserung der Situation auf dem Wohnungsmarkt, die Rezepte des Regierungsrats beruhten hingegen auf dem Irrglauben an die Selbstregulierung des Marktes und mit der Abschaffung des GAZW wurde explizit die Zerstörung von günstigem Wohnraum in Kauf genommen.

Wer hat uns verkauft?
Vier Jahre nach der verlorenen Abstimmung müssen wir feststellen, dass mit einer aktuellen Leerstandsquote von 0,5% weiterhin Wohnungsnot in Basel herrscht. Wir müssen auch feststellen, dass wir mit unseren Vorbehalten gegenüber dem von SP und Grünen hochgejubelten Wohnraumfördergesetz Recht hatten. Das Urteil zu den Steinengraben-Häusern zeigt in aller Deutlichkeit, dass beim Wohnraumfördergesetz die Bedürfnisse der Investoren und Hausbesitzer höher gewichtet werden als die Bedürfnisse der Bevölkerung nach günstigem Wohnraum, oder der Schutz vor Zweckentfremdung, sowie der Baum und Naturschutz.
Neue Initiativen, neue Chancen Der Basler Mieterverband hat inzwischen drei neue Initiativen eingereicht. Darunter, die Wohnschutzinitiative, die verankern würde, dass der Kanton in Zeiten von Wohnungsnot konkrete Massnahmen gegen Verdrängung durch Kündigungen oder Mietzinserhöhungen ergreifen kann. Hier bietet sich den rotgrünen Parteien die Möglichkeit, ihre Fehleinschätzungen respektive ihren Verrat an den einkommensschwachen MieterInnen wieder gut zu machen, indem sie die hängigen MieterschutzInitiativen unterstützen und keinen faulen Kompromissen mehr zustimmen.