Widerständig kreativ – eine Erinnerung

Am 2.2.1993 lösten wir die Progressiven Organisationen Basel (POB) auf. Wir waren die letzte Sektion der Progressiven Organisationen Schweiz (POCH), die diesen Entscheid fällte. Er bedeutete das endgültige Aus. Die POCH entstand zu Beginn der 1970er-Jahre aus der POB. Ihr Ende berührte mich. Trotz Ambivalenz. Und neuer widerständiger Kreativität, die sich formierte.
Zum einen irritierte mich in alten POCH-Zeiten das abgrenzende (Profil-)Gerangel innerhalb der Linken. Zudem ein etwas selbstgerechtes, instrumentelles Verhältnis gegenüber sozialen Bewegungen. Das befremdete auch potenziell Interessierte und behinderte wichtige Bündnisse. Mir imponierte aber klar die Grundhaltung der POCH: «Leben statt Profit!» Sie knüpfte an den 1968er-Aufbruch an. Wie Erich Fromms Schrift «Haben oder Sein?» (1976). Der Psychoanalytiker regte zu einem schöpferischen, sozial- und umweltgerechtem Handeln an, ohne sich zu überheben oder zu bereichern – zu Lasten anderer Menschen und der Natur.
«Leben statt Profit» lautete unser Motto. Wir versuchten so, Lebenswelt und Politik zu verknüpfen. Das verstanden viele und half 1975 mit, das Atomkraftwerk in Kaiseraugst zu verhindern. Und mit «AHV statt Panzer» setzten wir ein friedenspolitisches Zeichen, das gleichzeitig soziale Sicherheiten unterstützte. Auch mit der Forderung, das Pensionsalter auf «60/58» herabzusetzen. Was auch heute sinnvoll wäre. Und je länger die POCH existierte, desto offener agierten wir, ohne alles offen zu lassen. Im Gegenteil. Ideologische Verhärtungen weichten sich zwar auf. Aber die demokratisch-sozialistische Grundhaltung hielten viele weiterhin hoch. Jetzt erst recht. Mit Blick auf das globale Geschehen und darauf, wie es das Regionale mitprägt.
1989 brach die Berliner Mauer auf. Der Kalte Krieg schien passé zu sein. Das erwies sich jedoch bald als Illusion. Denn seither drängt das Kapital noch offensiver dorthin, wo es sich maximal verwerten lässt. Die geldgetriebene Politik forciert die Konkurrenz. Sie privatisiert und dereguliert. Wirtschaftliche Monopole erlangen mehr Macht. Sie unterlaufen demokratische Prozesse. Und soziale Ungleichheiten verschärfen sich weltweit. Damit erhöht sich auch die Kriegsgefahr. Denn «Habgier und Friede schliessen einander aus» (Fromm, ebd.). Die neoliberale Politik übergeht zudem Menschenrechte und die Vereinten Nationen, die sich, demokratisch legitimiert, wohl am meisten für eine globale Verständigung engagieren.
Nach dem Abgang der POCH politisierten wir weiter im Grossen Rat. Wir nannten uns nun Progressive Fraktion, bis zu den nächsten Wahlen (1996). In dieser Zeit sondierten wir, was folgen könnte. Etliche zogen sich zurück, wechselten zu den Grünen oder zur SP. Wir Restlichen wollten unser human sozialistisches Verständnis neu entfalten. So skizzierten wir Eckpfeiler für eine Plattform, luden zu einer Versammlung in der Kuppel ein und freuten uns über das hohe Interesse. Ja, da kamen zweihundert alternativ orientierte Leute zusammen, die sich einzeln oder mit andern zusammen bereits da und dort einsetzten. So etwa für Flüchtlinge, Sans-Papiers, den Zivildienst, Strafentlassene oder weitere soziale Anliegen: feministische, gesundheitliche, gewerkschaftliche, ökologische. Und aus dieser Initiative konstituierte sich BastA! Dank allen, die sich beteiligten.
Lebendige Debatten zeugten von eindrücklicher Vielfalt. Das Bestreben nach Humanität und Solidarität einte. Stark artikulierte sich das Anliegen, kritische Analysen mit konkreter Praxis zu verbinden. Kontrovers diskutierten wir die Frage: Bewegung oder Partei? Das eine schliesst das andere nicht aus, lautete ein Kompromiss. Aber gehört dazu unabdingbar eine parlamentarische Ausrichtung? Darüber sinnierten wir aus Zeitgründen zu kurz. Wahlen standen bevor. Wir liessen uns drängen, wollten die Gelegenheit nutzen. Unter diesem sachlichen und selbst auferlegten Druck entschieden wir mehrheitlich, uns daran zu beteiligen. Im Sinne einer «Partei mit Bewegungscharakter». Damit schmälerte sich allerdings die Basis. Ähnlich wie beim Formieren der POB, rund ein Viertel Jahrhundert zuvor. Vorgängige Arena-Debatten integrierten zahlreiche Unkonventionelle. Auch Hippies, Drop-outs, politisch Liberale und marxistisch Inspirierte. So besetzten anno 1969 auch manch Nonkonforme die Schienen «Für ein Gratistram». Lucius Burckhardt hielt dazu eine gehaltvolle Rede. Da spitzten auch unschlüssige Zaungäste der öffentlichen Kundgebung ihre Ohren. Später wechselte der Liberaldemokrat zu den Grünen.
Ich politisierte zuerst für die POB und nach deren Auflösung für BastA! im Grossen Rat. Mit guten Erinnerungen an beide Phasen. Dank stimmiger Kooperation in unserer Fraktion, mit unserer Basis und Verbündeten. Wir knüpften an das an, was verbindet. So verhinderten wir etwa das Abschaffen der kantonalen Beihilfen und initiierten das Ausweiten der Entwicklungshilfe. Wobei die Traktanden des Grossen Rates unsere Agenda zunehmend prägten. Damit verstärkte sich der Parteicharakter von BastA! Die Geschäfte häuften sich. Aus meiner Sicht wäre weniger mehr. Ich sage das allerdings aus längst randständiger Optik. Mein Schwerpunkt sind soziologische Studien.
Wie mutig und beharrlich BastA! während dreissig Jahren inhaltliche Kontinuität bewahrt, sich verjüngt und einfallsreich weiterentwickelt hat, freut mich immer wieder. Und doch hoffe ich, BastA! könnte noch mehr das schaffen, was uns leider zu wenig gelang. Wir wollten uns eigentlich auf eigene Recherchen und darauf konzentrieren, diese fundiert zu diskutieren, differenziert zu kommunizieren und konkrete Forderungen zu verwirklichen. Real, exemplarisch oder clever symbolisch. Ein Lichtblick pro Jahr bewirkt je nachdem mehr als zehn lokale Parolen. Vor allem wenn es gelingt, regionale und globale Anliegen möglichst sozial, friedenspolitisch, carezentriert und öko-feministisch zu verknüpfen. Alles Gute und herzliche Gratulation!
Ueli Mäder