Vernehmlassungsantwort zum Behindertenrechtegesetz

BastA! begrüsst den Versuch des Kantons ausserordentlich, eruierte gesetzgeberische Lücken im Behindertenrechtegesetz zu schliessen. Gleichzeitig bleiben einige Baustellen offen. So ist fraglich, inwieweit "ökonomische Zumutbarkeit" und die Inanspruchnahme des Rechts auf ein selbstbestimmtes Leben in Widerspruch geraten werden.

Im Konkreten nimmt BastA! wie folgt Stellung:

Zusammenfassung (S. 4)

 «In Zusammenarbeit mit Experten der Universität Basel hat sich der Regierungsrat die systematische Analyse der Rechte von Menschen mit Behinderungen auf völkerrechtlicher, eidgenössischer und kantonaler Ebene sowie die Schliessung der eruierten gesetzgeberischen Lücken im kantonalen Kompetenzbereich zum Ziel gesetzt. Das Ergebnis ist ein Rahmengesetz, welches allgemeine Bestimmungen und materielle Grundsätze umfasst sowie Rechtsansprüche, das Verfahren und die Umsetzung der kantonalen Behindertenpolitik regelt.»

BastA! begrüsst dieses Vorgehen ausserordentlich und stellt fest, dass das vorgeschlagene kantonale Behindertenrechtegesetzt (BRG) in weiten Teilen die eruierten gesetzgeberischen Lücken schliesst.

Rechtfertigung und Verhältnismässigkeit (S. 13)

«§ 8 Abs. 3 KV stellt den Anspruch von Menschen mit Behinderungen auf Zugänglichkeit von Bauten und Anlagen sowie auf Inanspruchnahme von Einrichtungen und Leistungen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, unter den Vorbehalt der wirtschaftlichen Zumutbarkeit.»

BastA! stellt fest, dass die aufgeführten Verhältnismässigkeiten in vielen Fällen zu Ungunsten des «Behindertenrechts» ausfallen werden und somit das Behindertenrechtegesetz sein Ziel zu verfehlen droht.

Weder die «Grösse des Betriebs, die Art der angebotenen Leistung, wie viele Menschen mit Behinderungen würden die Leistung in Anspruch nehmen, wenn sie zugänglich wäre» sind für die betroffene Person von Bedeutung.

BastA! befürchtet, dass unter dem Vorwand der Verhältnismässigkeit (v.a. des wirtschaftlichen Aufwands) allzu oft Fördermassnahmen nicht umgesetzt werden und somit Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes und selbstverantwortetes Leben weiter verunmöglicht wird.

Der Passus über die Verhältnismässigkeit muss zwingend zu Gunsten von Menschen mit Behinderungen formuliert werden.

§ 14 Fachstelle (S. 33)

BastA! begrüsst die Schaffung einer Fachstelle für die Rechte von Menschen mit Behinderung sehr.

Da es sich beim BRG um ein basel-städtisches Gesetz handelt, steht BastA! der Bestimmung „Er (der Kanton) kann sie auf Grund eines Staatsvertrags gemeinsam mit anderen Kantonen führen“, kritisch gegenüber. Eine Synergie (im Sinne des BRG) erschliesst sich für BastA! aus dieser Bestimmung nicht. Vielmehr befürchtet BastA!, dass eine gemeinsame (interkantonale) Führung der Fachstelle mit Leistungsverschlechterungen einher gehen und damit die Effektivität des Gesetzes an sich leiden wird.

BastA! beantragt den Passus «Er kann sie auf Grund eines Staatsvertrags gemeinsam mit anderen Kantonen führen.» ersatzlos aus dem Gesetz zu streichen.

Darüber hinaus wünscht sich BastA! weiterreichende Befugnisse für die Fachstelle. Die Überwachungs- und Koordinationsaufgaben sind mit Weisungsrechten zu ergänzen.

Lebensbereich Arbeit (S. 14)

«Der Kanton anerkennt das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit. Zur Verwirklichung dieses Rechts sind Massnahmen zu ergreifen. Im öffentlichen Sektor besteht eine Pflicht, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen.»

«Private Anstellungsverhältnisse sind durch Bundesrecht geregelt. Hier kann der Kanton allein durch das Schaffen von Anreizen und Sensibilisierung tätig werden.»

Eine Auflistung dieser Anreize und Sensibilisierung fehlt BastA! hier gänzlich, auch die Möglichkeit oder die Absicht eben solche Anreize und Sensibilisierungen zu initiieren.

BastA! fordert zu prüfen, ob und in welcher Form der Kanton durch das Schaffen von Anreizen und Sensibilisierung im Bereich „private Anstellungsverhältnisse“ tätig werden kann.

Lebensbereich Bildung (S. 15f)

In § 63a Schulgesetz ist der Grundsatz der integrativen Schulung verankert. Im Allgemeinen unterstützt BastA! diesen Grundsatz als elementaren Baustein zu einer integrativen Gesellschaft.

Bei der Umsetzung dieses Grundsatzes stellt BastA! massive Nachlässigkeiten fest. Insbesondere die mangelhafte Ausstattung von personellen Ressourcen in den Schulen ist zu bemängeln. Umfragen und empirische Erhebungen von involvierten Akteuren (Schulleitungen gehören nicht dazu!) ergeben übereinstimmend und überdauernd wiederkehrende Rückmeldungen, dass die öffentliche Schule mit dem verankerten Grundsatz der integrativen Schulung überfordert ist bzw. damit alleine gelassen wird.

BastA! fordert, der öffentlichen Schule und somit der Bildung im Allgemeinen die Mittel zur Verfügung zu stellen, welche ein integratives Bildungssystem, welches diesen Namen auch verdient, gewährleisten.

Lebensbereich Wohnen (S. 18)

«Art 19 UN-BRK vermittelt Menschen mit Behinderungen das Recht, frei zu entscheiden, wo und mit wem sie leben.» und «Hauptziel ist, dass jede Person mit Behinderungen die Unterstützung an dem Ort auswählen kann, die sie aufgrund ihrer individuellen Situation zu ihrer Eingliederung und zur gesellschaftlichen Teilhabe benötigt.»

BastA! unterstützt alle Bestrebungen, die diesen Zielen dienen. Insbesondere möchte BastA! die Menschengruppe, die auf institutionelles und begleitetes Wohnen angewiesen ist, hervorstreichen.

Eine grosse Herausforderung wird sein, die Bedürfnisse eben dieser Menschen, die auf institutionelles und begleitetes Wohnen angewiesen sind, zu erfassen. Leider werden Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung allzu häufig in Wohnheimen untergebracht, was nicht dem Recht frei zu entscheiden, wo und mit wem sie leben wollen entspricht.

Hier fordert BastA! eine Ausarbeitung eines Konzepts, wie diese Bedürfnisse eruiert und anschliessend umgesetzt werden.

Soziale Sicherheit (S. 19)

Mit aller Deutlichkeit ist festzuhalten, dass Verschlechterungen im Bereich der Sozialen Sicherheit, die alle Menschengruppen betreffen, für Menschen mit Behinderungen eine ungleich grössere Tragweite aufweisen.

Bau und Infrastruktur (S. 23f)

«Mit § 62a BPG hat Basel-Stadt als einziger Kanton eine Bestimmung, wonach eine Person mit Behinderungen für bestehende öffentlich zugängliche Bauten und Anlagen den Antrag auf Beseitigung einer baulichen Benachteiligung stellen kann. Obwohl die Bestimmung seit dem Jahre 2012 in Kraft ist, musste die Baubewilligungsbehörde erst einmal einen entsprechenden Antrag beurteilen, bei dem es aber mangels eines berechtigten Interesses zu keiner materiellen Beurteilung kam.»

BastA! regt an zu prüfen, ob diese Erfolgsgeschichte nicht doch einen faden Beigeschmack hat, nämlich aufgrund der wirtschaftlichen Zumutbarkeit:

Wirtschaftlich zumutbar sind bauliche Massnahmen in der Höhe von Fr. 150‘000.— bzw. 3% des Gebäudeversicherungswerts.

Möglicherweise ist nur ein einziger Antrag seit 2012 bei der Baubewilligungsbehörde eingegangen, weil die wirtschaftliche Zumutbarkeit zu tief angesetzt ist und somit weitere Anträge aufgrund mangelnder Erfolgsaussicht schon gar nicht gestellt wurden.

Umgekehrt wären möglicherweise mehr Anträge eingegangen, wenn die wirtschaftliche Zumutbarkeit höher wäre.

In diesem Sinn begrüsst BastA! diesen Gesetzesentwurf, der einen Schritt zur solidarischen Gesellschaft darstellt.