Service Citoyen: Militarisierung und allgemeine Dienstpflicht durch die Hintertür

Die Initiative verspricht Gleichstellung und Engagement – führt stattdessen zu Zwangsarbeit, einer Schwächung der Gleichstellung und Militarisierung. Nach einer intensiven Diskussion beschliesst die Mitgliederversammlung die Nein-Parole zur Service-Citoyen-Initiative.

Kampagnensujet der GsoA

 

Engagement für die Gesellschaft ist wertvoll und unverzichtbar. Eine solidarische Gemeinschaft lebt davon, dass Menschen Verantwortung übernehmen – Zu Hause, in der Nachbarschaft, in Vereinen, in Pflegeberufen oder im Umweltschutz. Doch die sogenannte Service-Citoyen-Initiative verfehlt dieses Ziel grundlegend. Die BastA!-Mitgliederversammlung hat deshalb entschieden, die Initiative abzulehnen.
Die Initiative will in der Bundesverfassung festschreiben, dass jede Person mit Schweizer Bürgerrecht einen «Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt» leisten muss. Dieser Dienst soll entweder als Militärdienst oder in einem «gleichwertigen, gesetzlich anerkannten Milizdienst» erfolgen. Damit würde aus der heutigen Wehrpflicht für Männer eine allgemeine Dienstpflicht für alle.

Das heutige System

Heute besteht in der Schweiz eine Wehrpflicht für Männer, während Frauen den Militärdienst freiwillig leisten können. Wer den Dienst an der Waffe verweigert, hat die Möglichkeit, einen zivilen Ersatzdienst zu leisten – meist in sozialen oder ökologischen Institutionen. Der Zivildienst wurde erst 1996 eingeführt – nach langen politischen Kämpfen um das Recht auf Gewissensfreiheit. Zuvor landeten Männer, die den Militärdienst verweigerten, im Gefängnis.

Einen zivilen Ersatzdienst, wie wir ihn heute kennen, sieht die Initiative nicht mehr vor. Der Zivildienst würde faktisch abgeschafft. Die Initiative garantiert den Bestand der Armee ausdrücklich. Damit würde der Staat verpflichtet, genügend Menschen für den Militärdienst sicherzustellen – notfalls auch gegen ihren Willen. Wenn der heutige Zivildienst wegfällt, gäbe es für Personen mit Gewissenskonflikten keinen durch die Verfassung geschützten Ausweg mehr. Sie könnten wieder gezwungen werden, in der Armee zu dienen.
Stattdessen entstünde ein System, in dem alle – unabhängig von Überzeugung oder Eignung – einen staatlich bestimmten Dienst zu leisten hätten. Wie lange dieser dauern soll, ist unklar. Damit würde der Staat weitreichende Kontrolle über Arbeitskraft und Lebenszeit seiner Bürger:innen erhalten.

Militarisierung statt Engagement

Die Initiative wird zu einem Zeitpunkt diskutiert, an dem die Bundesversammlung eine Vorlage beratet, die den heutigen Maximalbestand der Armee in einen Mindestbestand umwandeln will. Damit wäre der Weg frei für eine Vergrösserung der Armee – und das bei gleichzeitiger Abschaffung des Zivildienstes als zivilen Ersatzdienstes. Ein «Service Citoyen» in dieser Form würde also nicht zu mehr gesellschaftlichem Engagement führen, sondern den Einfluss des Militärs in der Gesellschaft weiter ausbauen.

Zwangsarbeit im Namen des Gemeinwohls

Was auf den ersten Blick wie eine Stärkung des Gemeinwohls klingt, bedeutet in der Praxis Zwangsarbeit im Dienst des Staates. Nach Völkerrecht sind nur Militärdienst, Zivildienst (als Ersatzdienst zum Militärdienst) und Nothilfedienste ausdrücklich von der Definition der Zwangsarbeit ausgenommen. Die Initiative sieht aber vor, dass ein grosser Teil der Dienstleistenden ausserhalb dieser Bereiche eingesetzt werden kann – etwa in Pflege, Bildung oder Umweltprojekten. Ein solcher Zwangsdienst öffnet Tür und Tor für Missbrauch. Welche Tätigkeiten als «dienstwürdig» gelten, würde der Staat festlegen.

Keine Gleichstellung durch Zwang

Die Initiant:innen argumentieren, dass eine Dienstpflicht für Frauen ein Schritt zur Gleichstellung sei. Doch das Gegenteil ist der Fall. Frauen leisten heute noch immer den überwiegenden Teil der unbezahlten Care-Arbeit – sie pflegen Angehörige, erziehen Kinder (und gebären sie). Eine Ausweitung der Pflicht auf Frauen würde ihre Mehrfachbelastung verschärfen. Gleichstellung erreicht man nicht durch zusätzliche Pflichten, sondern durch gerechte Verteilung von Arbeit und Zeit.

Deshalb fordern wir von BastA! eine radikale Arbeitszeitverkürzung, die Menschen mehr Raum für gesellschaftliches Engagement, Familie und politische Teilhabe schafft. Und keine staatliche Verpflichtung zu einer Schein-Gleichstellung.

Unklare Folgen für Menschen ohne Schweizer Pass
Besonders heikel ist Absatz 5 der Initiative: Er erlaubt es dem Gesetzgeber, festzulegen, ob und in welchem Umfang Personen ohne Schweizer Bürgerrecht ebenfalls dienstpflichtig werden können. Damit wird eine Tür geöffnet für eine Pflicht, die Menschen treffen könnte, die in der Schweiz leben, arbeiten, Steuern zahlen – aber kein Stimm- und Wahlrecht haben. Eine solche Regelung wäre demokratisch höchst problematisch. Statt Integration zu fördern, würde die Initiative neue Formen von staatlicher Ungleichbehandlung schaffen.

Nein zum Service Citoyen

Wir teilen das Anliegen, dass sich alle für das Gemeinwohl einsetzen sollen – aber freiwillig, selbstbestimmt und solidarisch, nicht auf staatlichen Befehl hin. 
Eine solidarische Gesellschaft entsteht nicht durch verordnete Dienste, sondern durch soziale Sicherheit und Zeit für Sorge und Gemeinschaft. Deshalb sagt BastA! Nein zur Service-Citoyen-Initiative am 30. November 2025.

Und Nein zu Verschärfungen beim Zivildienst

Nicola Goepfert, Vizepräsident BastA!

PS: Der Zivildienst soll geschwächt und der Zugang massiv erschwert werden. Dagegen läuft aktuell ein Referendum. Hier findest du alle Infos und den Unterschriftenbogen: 
jungegruene.ch/zivildienst