Nazis: Blockieren oder ignorieren?

Am 24. November protestierten einige rechtsradikale Splittergruppen in Basel. Darunter die PNOS (Partei national orientierter Schweizer), die Résistance Helvétique und als selbsternannter Demoschutz einige Personen aus der „Kameradschaft Heimattreu“. Ihr Vorwand: Der UNO Migrationspakt.

Obwohl die Bewilligungspraxis für Demonstrationen im Kanton Basel-Stadt zunehmend restriktiver wird, wurde den Faschisten für ihre Kundgebung auf dem Messeplatz eine Bewilligung erteilt. Es sollte ein grosser Aufmarsch werden. 500 Leute wurden erwartet. Schlussendlich kamen etwa 70 Personen. Der unbewilligten Gegendemo am Messeplatz schlossen sich hingegen 1500 Menschen an. BastA! rief als einzige parlamentarisch vertretene Partei zu dieser Demonstration auf. Wenige Kilometer entfernt, auf der Dreirosenmatte versammelte sich ein breites Parteienbündnis mit ebenfalls rund 1000 Teilnehmenden.

70 FaschistInnen haben also gut 2000 Menschen auf die Strasse gezogen und für Medienwirbel sowie einen kostenintensiven Polizeieinsatz gesorgt. Hier stellt sich die berechtigte Frage, wieso man sie nicht einfach ignoriert und ob man diese faschistische «Minderheit» nicht besser totschweigt.

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich etwas genauer mit der politischen Strategie der neuen Rechten beschäftigen und sich fragen, unter welchen Umständen ein paar Faschisten zu einer Gefahr für die Gesellschaft werden.

  1. Faschisten werden gefährlich, wenn sie sich bewaffnen.
  2. Faschisten werden gefährlich, wenn sie anschlussfähig für politische Mehrheiten werden.

Spätestens mit der Offenlegung des Netzwerks «Hannibal» ist Punkt 1 erfüllt. In Deutschland und der Schweiz gibt es laut TAZ-Recherchen rechtsterroristische Netzwerke in Polizei, Militär und Nachrichtendiensten, die sich auf einen gewaltvollen Umsturz vorbereiten. Wenigstens für Deutschland ist bekannt, dass Todeslisten erstellt wurden. Die Aufarbeitung des NSU-Prozesses mit verschwundenen Akten und anderen Eigenheiten, aber auch die jüngsten Recherchen zu einer rechtsradikalen Polizeigruppe in Frankfurt, die Morddrohungen an die Anwältin eines NSU-Opfers verschickte, lassen berechtigte Zweifel an der Schaffung von Sicherheit durch diese Sicherheitsinstanzen aufkommen.

Anschlussfähigkeit und Radikalisierung

Bomberjacke und Hitlergruss sind eigentlich von gestern. Das heisst nicht, dass es das in rechtsradikalen Kreisen nicht mehr gäbe. Doch zumindest die intellektuelle Rechte wie die identitäre Bewegung und Teile der PNOS suchen nach kultureller Hegemonie und damit nach Anschlussfähigkeit an die «gesellschaftliche Mitte». Die SVP ist hier ein dienlicher Brückenbauer. Es geht darum, politische und gesellschaftliche Diskurse nach rechts zu verschieben, Migration zur Gefahr für Leib und Leben (von Frauen) zu erklären oder gemeinhin an Vorstellungen von der angeblichen Verschlechterung der Chancen weisser Männer anzudocken. Besonders der Feminismus gerät ins Visier der neuen Rechten. So beteiligte sich die PNOS am «Marsch für`s Läbe» und kämpft radikal für ein Verbot von Schwangerschaftsunterbrüchen, die sie mitunter als Völkermord bezeichnet. Gleichzeitig fordern rechtsradikale Influencer politisches Stimmrecht an die Familie als Institution zu koppeln statt an Staatsbürger*innen. Das kommt der Aberkennung des Frauenstimmrechts gleich.

Dabei wird immer mehr auf das Internet als Kommunikationsplattform gesetzt. Während Facebook nackte weibliche Brüste und YPJ-Fahnen zensiert, bleiben antisemitische und rassistische Posts häufig unberührt. Und während wohl nur wenige Leute den Weg zu klar rassistischen Demos finden, wird dennoch fleissig geliked und geteilt, wenn ein gut inszenierter Redner per Videoaufnahme, die eigene Wahrheit überbringt. Auch marginal besuchte Kundgebungen werden so zum festen Bestandteil im Ringen um Hegemonie.

Es gibt keinen harmlosen Rassismus, denn die Strategie der neuen Rechten fruchtet. Einige werden sich vielleicht an die unglückliche Solidaritätsdemo mit der Gugge Negro Rhygass erinnern. Die mediale Solidarität mit dem Anliegen einiger Fasnächtler*innen, rassistische Embleme als Kulturgut zu erhalten, war gross, bis schliesslich sichtbar wurde, dass auch Rechtsradikale wie der Vorsitzende der PNOS Basel Tobias Steiger dieses Anliegen teilen. Und obwohl von den AnmelderInnen der Demo zunächst unbeholfene Distanzierungen zu den mitmarschierenden Faschisten folgten, gibt es eine sichtbare Nähe zur PNOS. Beide versuchten an der PNOS-Demo am 24. November teilzunehmen. Offen bleibt die Frage, ob die «Fasnachtssolidaritätsdemo» selbst ein Projekt der radialen Rechten war.

Die Auseinandersetzung um die Basler Fasnacht erscheint der radikalen Rechten als ideales Thema zur Selbstdarstellung. «Heimatliebe ist kein Verbrechen», heisst es beispielsweise in Selbstdarstellungsvideos der Identitären Bewegung. Sie steht für «ethnopluralistische Vielfalt» ein, was nichts anderes heisst, als dass Ethnien unter sich bleiben sollen und keine «Vermischung» stattfinden dürfe. Sie scheut sich nicht davor, auch in den Wortschatz der politischen Linken zu greifen. Die PNOS arbeitet dagegen stärker mit völkischer Inszenierung, präsentiert sich aber ebenfalls als Alternative zum «Mainstream». In ihrer Selbstdarstellung postuliert sie beispielsweise, «der Kapitaldiktatur ein Ende zu bereiten», sich «für die wahren Interessen vom Volk einzusetzen» und für «ein gesundes Schweizervolk mit Schweizer Familien» zu kämpfen. Nur steht hinter ihrer antikapitalistischen Rhetorik in der Regel keine substanzielle Systemkritik, sondern eine verkürzte Kapitalismuskritik. Es geht um Volk und Elite. In ihrer Vorstellung wird das Volk von der Elite kontrolliert. In der Regel bedient sie dabei antisemitische Verschwörungstheorien, wie Hans Stutz in seinem Beitrag zur PNOS-Demo in Basel herausarbeitete. Der PNOSler Tobias Steiger behauptete in seiner Rede, der UNO-Migrationspakt diene der so genannten «Umvolkung» und sei ein Masterplan zur «Rassenvermischung» und Verdummung, welche von einer (vorwiegend jüdischen) Finanzelite gesteuert werde. Die Zahl derer, die solchen antisemitischen Verschwörungstheorien Glauben schenken, ist nicht so klein, wie man hoffen möchte. Ein Teil davon ist bereits bewaffnet. Dass in der Schweiz Militärdienstleistende ihre Waffe nach Hause mitnehmen, ist in diesem Zusammenhang besonders bedenklich. Am 29. Dezember veröffentlichte der Sonntagsblick zudem eine Recherche über ein Mitglied der Kameradschaft Heimattreu, welche an der PNOS-Demo als eine Art Demoschutz agierte. Dieses offen rechtsradikale Mitglied hat als Unteroffizier eine Kaderfunktion in der Schweizer Armee inne.

Es gibt also verschiedene Entwicklungen, die darauf hindeuten, dass sich eine rechtsterroristische Szene formiert.  Die vermeintlich harmlose politische Rechte schafft die notwendige Diskursverschiebung und trägt zur Anschlussfähigkeit faschistischer Ziele bei. Vor allem in den Online-Diskussionen – sei es in der Frage des vermeintlichen Weltwocheverbots an der Universität, der Debatte um die Gugge Negro Rhygass oder der Frage um die Bewilligung der PNOS-Demo – zeigen sich stets ähnliche Argumentationsmuster. Es wird von Zensurierung der „Wahrheit“ und der eigenen Kultur durch die Mehrheitsgesellschaft bzw. die linksliberalen Meinungsterroristen schwadroniert. Als seien der eigene Rassismus ein bewahrenswertes Kulturgut und seine Träger eine marginalisierte Minderheit, die der Rechtsstaat schützen müsse.

Natürlich gehört der Minderheitenschutz zu den Aufgaben des Rechtsstaates. Doch dient dieser eben dem Zweck, Minderheiten zu schützen, nicht sie zu vernichten. An einer politischen Minderheit, die das Ziel hat, ethnische und religiöse Minderheiten zu unterdrücken und zu vernichten, ist nichts schützenswert. Dennoch gerät hier der gesellschaftsliberale Diskurs ins Stocken, weil er dazu neigt, «Rechtsextremismus» und «Linksextremismus» gleichzusetzen. Das lässt sich auch anhand der Antwort auf die Interpellation von Tonja Zürcher zur Bewilligung der PNOS-Demo herauslesen. Hier werden von der Regierung Gewalt gegen Menschen und Sachschäden auf gleiche Weise kritisiert. Während sich links motivierte Gewalt tendenziell in Sachbeschädigungen zeigt, richtet sich rechtsmotivierte Gewalt gegen Menschen. Das ist ein qualitativer Unterschied.

Mit einer politischen Theorie, die diese Gleichsetzungen vornimmt, lässt sich Faschismus nicht bekämpfen, weil sie davon ausgeht, dass lediglich die politische Mitte der Weg der Vernunft sei. Doch zeigen Studien zu Rassismus und Antisemitismus, dass diese Haltungen auch im politischen «Mittelager» verbreitet sind. Nur die wenigsten Menschen - nicht einmal die identitäre Bewegung - bezeichnen sich heute selbst als Rassisten, obwohl sie rassistisch handeln.

Alles in allem bleiben viele Fragezeichen. Wer faschistische Gruppierungen ignoriert, ignoriert damit gefährliche Tendenzen. Wer sie blockiert, verschafft den Faschisten zwiespältige Aufmerksamkeit und bringt unter Umständen den bürgerlichen Staat gegen sich auf. Politische Intervention und politische Bildung scheinen ebenso unausweichlich, wie eine couragierte Zivilgesellschaft, die sich Faschisten entschlossen entgegenstellt. Antifaschismus kann unter diesen Umständen nicht dem Staat allein überlassen bleiben.

Tonja Zürcher & Franziska Stier