Naturschutz muss immer wieder neu erkämpft werden

«Illegale Aktivist*innen» verteidigen auf dem Mormont mit einer Besetzung ein Gebiet, dessen Schutz das Gesetz eigentlich garantieren sollte.

Mit anderen Aktivist*innen vor einem besetzten Haus zu sitzen, ist ja eigentlich nichts Ungewöhnliches. Auch Gespräche über alternatives Wirtschaften, über ein partizipatives Zusammenleben und eine grüne Zukunft sind mir nicht fremd. Trotzdem ist die Stimmung hier am Lager­feuer eine andere. Das besetzte Haus gehört nämlich keinem Spekulanten, der eine Luxussanierung vorhat. Die Besitzerin plant vielmehr den Abriss des Hauses und des ganzen darunterliegenden Hügels Mormont mitten im Waadtländer Jura. Auf den Wiesen und im Wald rund um das Haus sind Zelte und Baumhäuser, Barrikaden und Slacklines aufgebaut. Wir sitzen gemütlich um das Lagerfeuer.

Die ersten Naturschutzgebiete der Schweiz im moderneren Sinne gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Die ersten Gesetze über Natur- und Tierschutz sind mittlerweile weit über hundertjährig, der Schweizerische National­park ist der älteste Mitteleuropas und die erste grüne Partei der Schweiz feiert dieses Jahr ihr fünfzigjähriges Bestehen.

Trotzdem ist die Natur in der Schweiz nach wie vor einem grossen Druck ausgesetzt und ihr Schutz erfordert nach wie vor einen konsequenten Kampf. Dabei geht es nicht mehr nur um den Erhalt von noch unge­schützten Grünflächen, sondern immer mehr auch um die Durchsetzung von schon bestehendem Naturschutz! Offenbar reicht es nicht, eine Fläche unter Schutz zu stellen, um sie zu schützen. Viele scheinen immer noch nicht zu verstehen, dass Naturschutzgebiete keine Bau- und Industrielandreserven sind!

So auch bei Mormont. Das Gebiet, auf dem die Besetzung stattfindet, ist seit 1998 im Bundesinventar der Landschaften und Natur­denkmäler von nationaler Bedeutung ver­zeichnet. Leider liegt es über einem grossen Kalksteinvorkommen und direkt neben einem Kalksteinbruch von LafargeHolcim, welche diesen Steinbruch vergrössern will. Dies hätte die Zerstörung eines Naturschutz­gebietes zur Folge, dessen nicht «unge­schmälerte Erhaltung» laut Artikel 6 der Verordnung über das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler (VBLN, SR 451.11) nur in Erwägung gezogen werden darf, «wenn ihr bestimmte gleich- oder höherwertige Interessen von ebenfalls nationaler Bedeutung entgegenstehen.» Warum die Interessen eines privaten Zementunternehmens (dessen Fabrik in Eclépens bei Mormont übrigens der sechstgrösste CO2-Emittent der Schweiz ist!) von grösserer nationaler Bedeutung sein sollen als eine (laut BLN) «einmalige Landschaft mit einer sehr diversen Fauna», ist mir schleierhaft.

Auch in der Region Basel gibt es zwei aktuelle Beispiele, die zeigen, dass Mormont kein Einzelfall ist, was die Zerstörung von Naturschutzgebieten für Wirtschafts­in­teressen betrifft. So sollen in Arlesheim an der Grenze zu Dornach 45 Neubau­wohnungen entstehen, die (wie mehrere Fachgutachten zeigen) ein angrenzendes geschütztes Feuchtgebiet akut bedrohen. Und in Basel soll (mittlerweile sogar mit dem Segen der Baselstädtischen Stimm­bevöl­kerung) eine als Singularität ausgezeichnete Trockenwiese einem Containerterminal und dritten Hafenbecken weichen.

Über diese drei Projekte wird wohl das Bundesgericht – dank dem Widerstand zahlreicher Aktivist*innen und Naturschutz­verbände – in den nächsten Monaten ent­scheiden. Diese drei Projekte zeigen allerdings exemplarisch, wie wichtig der ausserparlamentarische Kampf für Natur­schutz leider nach wie vor ist.
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Kasimir