LNG - Wie drei Buchstaben die ganze Region beschäftigen

Zurzeit kommt niemand am geplanten LNG-Terminal1 in Muttenz vorbei. Der Gasverbund Mittelland (GVM) spricht von einer Zukunftsinvestition, der Klimastreik wirft ihm Greenwashing vor und die Junge Mitte Baselland leistet sich einen Streit mit ihrer Mutterpartei. Für alle, die bei all dem den Überblick verloren haben oder sich fragen, was ein Flüssiggasterminal überhaupt ist, haben wir hier das Wichtigste zusammengestellt.

Gehen wir also zurück zum Anfang.

Ende Dezember verkündet der Gasverbund in der Sonntagszeitung stolz, das erste Flüssiggasterminal der Schweiz bauen zu wollen. Chef Rolf Samer geht davon aus, dass es schon nächsten Winter in Betrieb genommen werden kann. Im enthusiastischen Artikel ist von einem “Meilenstein der Schweizer Energieversorgung” die Rede. LNG ist Erdgas, welches auf -162 Grad heruntergekühlt wird und sich verflüssigt. In diesem Zustand kann es unter ständiger Kühlung per Container oder Schiff transportiert und über Terminals wieder ins Netz eingespeist werden. Einige Länder bauen LNG aus, um unabhängiger von russischem Gas zu werden. Dabei werden teils massive Überkapazitäten geschaffen. Zudem gefährdet der Ausbau fossiler Infrastruktur eine rasche Energiewende.

Im Februar kündigt der Klimastreik Widerstand gegen das Terminal an. Vor allem eine Aussage macht die Runde: „Das könnte das Lützerath von Basel werden“. Der Klimastreik veranstaltet einen Informationsabend mit Fachpersonen, an dem nicht nur über die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt gesprochen wird, sondern auch über die ökonomischen Risiken. Am 25. März findet die erste Kundgebung beim Hauptsitz des Gasverbunds in Arlesheim statt. In einem offenen Brief wird die Einstellung des Projekts gefordert.

In der Zwischenzeit rudert der GVM-Verwaltungsratspräsident André Dosé2 zurück und relativiert das Projekt. Man wäre missverstanden worden und wolle “grünes Gas” und somit “nachhaltige” Infrastruktur bauen: “Das LNG-Terminal ist für die Einspeisung von flüssigem Biogas (LBG) oder synthetischem Methan (LGG) konzipiert worden.“ Dass Biogas den Gasverbrauch rein mengenmässig nicht ersetzen kann und synthetisches Gas sehr ineffizient und Stand jetzt nicht klimafreundlich ist, scheint kein Hindernis für dieses Projekt zu sein. Später betont Dosé, dass noch gar nicht entschieden sei, ob und in welcher Form sie dieses umsetzen.

Wenn der Verwaltungsrat Glück hat, hat die politische Stimmung ihm diesen kniffligen Entscheid schon abgenommen. So geht die Basler Regierung davon aus, dass eine Erweiterung der Gasinfrastruktur weder nötig noch wirtschaftlich ist. Und Ende März stellt sich das jgb zusammen mit vier anderen Jungparteien bis ins bürgerliche Lager gegen das Flüssiggasterminal und fordert einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien.

Und was geschieht jetzt? Der Widerstand geht weiter. In Muttenz entsteht eine Lokalgruppe, im Hintergrund werden die Bündnisse breiter und auch ausserparlamentarisch ist man auf dem Weg eines Zusammenschlusses.
Der institutionelle Widerstand wird weiter vorangetrieben. Die Haltung der Basler Regierung konnte, dank einer Interpellation von Nicola Goepfert (GAB), ihr aus der Nase gezogen werden. Einmal ist 2037 in Basel Stadt Schluss mit Gas. Und zur Zeit liegen keine Pläne zum Bau eines LNG Terminals auf dem Tisch der IWB.
Ob das Terminal trotzdem noch gebaut wird, kann man noch nicht abschätzen und hängt vor allem von der Stärke des organisierten Widerstands ab. Was man aber jetzt schon feststellen kann, ist eine Diskursverschiebung: LNG sagt kein Mensch mehr und André Dosé vergisst nie die Wörter grün oder nachhaltig vor das Wort Gas zu stellen. Das ist noch keine Klimarevolution. Aber wir sollten es als unseren Erfolg verbuchen. Denn die Ära der fossilen Deutungshoheit ist vorbei.


1 Liquefied Natural Gas
2 Ehemaliger CEO der Fluggesellschaften Crossair, Swiss und Gulf Air


Helma Pöppel & Benjamin Rytz,
junges grünes bündnis nordwest