Lets talk about Ignorance

Votum von Oliver Bolliger
Sehr geehrter Herr Grossratspräsident, Herr Statthalter, geehrte Kolleginnen und Kollegen
Die Fraktion des Grünen Bündnis fordert die Mitglieder des Grossen Rates dazu auf den Anzug von Tonja Zürcher und Konsorten der Regierung zur Stellungnahme zu überweisen.
Vielleicht braucht es dazu ein wenig Mut und die Bereitschaft über den eigenen Schatten zu springen – doch wir sind davon überzeugt, dass wir als Parlament unsere Regierung in die Pflicht nehmen müssen um zu diesen unbequemen Fragen Stellung zu beziehen.
Man mag von der Plakataktion halten was man möchte – aber schlussendlich trifft sie den Nagel auf den Kopf. Unsere weltweittätigen Konzerne mit Sitz in unserer Stadt müssen ihr globales Handeln und Wirken gegenüber der Umwelt und den Menschen verantworten. Mit ihren Handlungen schädigen sie dem Image unserer weltoffenen Stadt im Zentrum Europas.
Es reicht nicht aus ein Corporate Social Responsibility – Leitbild zu verabschieden und in Tat und Wahrheit Umweltstandards und Menschenrechte tagtäglich in fernen Ländern zu verletzen.
Die Novemberausgabe des Magazins von Public Eye widmet sich den giftigen Spuren von Syngenta und anhand des Herbizids Paraquat wird die Dringlichkeit des Anzugs Überdeutlich. Syngenta hat wie sie alle wissen ihren Sitz in Basel und somit können wir nicht sagen, dass uns diese Geschichte nichts angeht.
Paraquat ist in der Schweiz und in den meisten europäischen Ländern längst verboten – aber Syngenta verkauft ihren gesundheitsschädigenden Kassenschlager überallhin wo es noch möglich ist und dies ohne eine sichere Anwendung gewährleisten zu können.
Gemäss einer Schätzung der UNO sterben 200‘000 Menschen jährlich durch Vergiftungen mit Pestiziden – davon 99 Prozent in Entwicklungsländern. Syngenta ist der Branchenleader und für einen Viertel aller weltweiten Paraquat-Exporte verantwortlich.
Nach China, Vietnam und Thailand hat nun auch Brasilien beschlossen Paraquat verbieten zu wollen – also das Land, welches am meisten vom Herbizid verspritzt – Syngenta macht über die Hälfte ihres Paraquat-Umsatzes in Brasilien. Und wie reagiert Syngenta?
Es setzt die Regierungen der betroffenen Ländern unter Druck und versucht über die Agrarlobby die Entscheide zu ihren Gunsten zu beeinflussen und dies obwohl bekannt ist, welche Gesundheitsrisiken und Umweltschäden die Versprühung der Gifte auf Plantagen von Palmöl und Sojafeldern verursachen. Was braucht es denn noch bis dieser giftige Oldtimer aus der Landwirtschaft endlich aus dem Verkehr gezogen wird?
Syngenta verstösst regelmässig gegen internationale Abkommen, wie zum Beispiel dem Internationalen Code Pestizide Management im Punjab/Indien– doch allzu oft kommt Syngenta und auch andere internationale Firmen ohne grosse Konsequenzen davon. Die Bauern und Bäuerinnen im Punjab haben das Nachsehen.
Der Arbeitgeberverband Basel anerkennt zwar die Forderungen, dass die Wirtschaft die Menschenrechte respektieren und die Umwelt schützen müssen – jedoch soll die Basler Regierung keinen aktiven Einfluss nehmen können und die Basler Bevölkerung soll auch nicht darüber informiert werden. Die Wirtschaftsfreiheit legitimiert also alle Verstösse gegen die Menschheit und gegen die Umwelt.
Meine geschätzte Kolleginnen und Kollegen ich bitte Sie, dass können wir als Mitglied dieses Parlaments doch nicht akzeptieren. Der Widerstand gegen Paraquat und gegen die Zollbefreiung von Palmöl wächst stetig und die Kantone Thurgau und Freiburg haben entsprechende Standesinitiativen nach Bern geschickt.
Und wir tun so, als ginge uns dies nichts an – nur weil uns der Mut fehlt unseren eigenen weltweiten Konzerne ein wenig auf die Finger zu schauen und sie an ihre Verantwortung gegenüber den Menschenrechten und der Umwelt zu erinnern.
Wir akzeptieren keine Ausbeutung von Mensch und Natur durch Konzerne mit Sitz in Basel. Menschenrechte und Umweltstandards müssen eingehalten und respektiert werden. Die Konzerne müssen ihre diesbezügliche Verantwortung weltweit übernehmen.
Die Basler Regierung muss in Zukunft eine aktive und kritische Haltung gegenüber den weltweiten Konzernen mit Sitz in Basel einnehmen, um Forderungen und Kritik stellen zu können.
Vielen Dank für die Überweisung des Anzugs an die Regierung.
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Votum von Tonja Zürcher
Eine repräsentative Umfrage bei der Schweizer Bevölkerung ergab vor einem Jahr, dass 90 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer wollen, dass Schweizer Konzerne weltweit die Menschenrechte und Umwelt respektieren. Das ist heute aber oft nicht der Fall.
Syngenta ist der Basler Konzern, der am meisten negative Schlagzeilen macht. Oliver Bolliger hat bereits einen guten Überblick über die durch diese Firma verursachte Umweltzersörung und Ausbeutung der Arbeitnehmenden und ihrer Gesundheit gegeben. Deshalb muss ich hier nicht weiter darauf eingehen.
Aber auch andere hier ansässige Multis weisen ethisch fragwürdige Geschäftspraxen auf:
So kamen Novartis und Roche nicht nur durch Medikamententests an Kleinkindern in Indien in Verruf und verstossen gemäss der NGO Public Eye bei Medikamententests regelmässig gegen internationale ethische Richtlinien. Auch das politische und gerichtliche Vorgehen dieser Firmen gegen Generika in den Ländern des Südens wird von verschiedenen NGOs und auch von einem UNO-Sonderberichterstatter kritisiert. Die Pharma-Industrie torpediert damit das Engagement der Staaten, das Recht auf Gesundheit und den Zugang zu notwendigen Medikamenten zu verbessern.
In den Produktionsstätten des Basler Bekleidungskonzerns Tally Weijl muss laut eines Berichts des Kassensturzes aufgrund fehlenden Kontrollen mit Kinderarbeit gerechnet werden. Zudem weigerte sich das Unternehmen nach dem Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch mit über 1000 Toten lange, ein Abkommen für mehr Gebäudesicherheit in ihren Produktionsstätten zu unterzeichnen. Der Konzern machte damit deutlich, was er von einem angemessenen Schutz der Fabrikarbeiterinnen hält.
Wie reagiert die Basler Regierung auf diese Berichte? Allenfalls äussert sie in direkten Gesprächen mit den Firmen vorsichtig Kritik. In der Öffentlichkeit scheuen die Regierungsratsmitglieder aber vor klaren Worten zurück. Der ehemalige Regierungspräsident Guy Morin ging vor 2 Jahren sogar noch weiter und appellierte an einem Podiumsgespräch an eine "Toleranz" gegenüber Syngenta und erklärte, dass wir in Basel halt mit den Schattenseiten der Chemiekonzerne leben müssten.
Wir wollen, dass die Basler Regierung in Zukunft eine aktive und kritische Haltung gegenüber den Konzernen mit Sitz in Basel einnimmt und klare Forderungen zum Schutz der Umwelt, der lokalen Bevölkerung und der Arbeitnehmenden in den Ländern des Südens stellt und auch kritisiert, wenn das nicht eingehalten wird.
Das gilt einerseits für die direkten Gespräche, die die Regierung mit den Konzernen führt und andererseits für die Äusserungen gegenüber der Öffentlichkeit. Steuereinnahmen und Arbeitsplätze rechtfertigen kein Schweigen, wenn Syngenta Mensch und Umwelt vergiftet, die Pharma-Industrie die Umsetzung des Rechts auf Gesundheit behindert und Bekleidungsfirmen Kinderarbeit und tödliche Arbeitsbedingungen in ihren direkten Zuliferfirmen tolerieren.
Wir haben eine rot-grüne Regierung und eine Verfassung, die das Recht auf Leben und auf körperliche und geistige Unversehrtheit festschreibt und den besonderen Schutz von Kindern und Jugentlichen garantiert. Darüber hinaus gibt die Verfassung dem Kanton die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Umwelt und die Biodiversität erhalten bleiben.
Wir wollen, dass die Regierung den Auftrag den ihr die Verfassung gibt, auch im Zusammenhang mit multinationalen Konzernen mit Basler Hauptsitz ernst nimmt. Standortpolitik darf nicht über der Förderung der Grundrechte und dem Schutz der lebensnotwendigen Umwelt stehen.