Klimanotstand – und jetzt?

Das ist an sich wenig verwunderlich. Das Problem des Klimawandels war schon bekannt, als die meisten Klimastreiker*innen noch nicht einmal geboren waren. Und trotzdem wurden die vergangenen dreissig Jahre mehr oder weniger verschlafen, was die Umwelt- und Klimapolitik angeht.
Sehr störend ist die Tatsache, dass wir mit dem Klimastreik nicht einfach ignoriert, sondern von Beginn weg immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert wurden, wir würden nur fordern und hätte selber ja auch keine konkreten Vorschläge für die Lösung des Problems.
Es kommt gewissermassen einem Staatsversagen gleich, dass die Lösung einer existentiellen Krise Aufgabe der aktuellen Schüler*innen-Generation sein soll, nachdem die institutionelle Politik drei Jahrzehnte lang versagt hat. Angesichts der Dringlichkeit und des Ausmasses der Klimakrise blieb uns schlussendlich jedoch nichts anderes übrig. Entstanden sind zwei Pläne, die Möglichkeiten für eine zukünftige Klimapolitik in der Schweiz skizzieren.
Der Klima-Aktionsplan
Auf nationaler Ebene veröffentlichte der Klimastreik Schweiz diesen Januar den sogenannten Klima-Aktionsplan (Climate Action Plan, CAP). Der CAP richtet sich an die Bevölkerung und versteht sich als Startschuss für ein andauerndes Projekt. Er soll alle Teile der Gesellschaft motivieren, sich zu informieren, gemeinsam nach den richtigen Lösungen zu suchen und eine vereinte Vision für unsere Gesellschaft von morgen zu entwickeln. In seiner ersten Version umfasst der Klima-Aktionsplan 138 Massnahmen-Vorschläge auf fast 400 A4-Seiten. Ausgearbeitet wurde er als gemeinsames Projekt von über 60 Klimastreikenden, Wissenschaftler*innen und Expert*innen aus verschiedenen Fachgebieten aus der ganzen Schweiz. Er zeigt die sozialverträgliche Realisierbarkeit von netto null Treibhausgas-Emissionen bis 2030 auf und macht Vorschläge für ein neues Zusammenleben in einer von der Klimakrise gezeichneten Gesellschaft.
Ideensammlung «Was isch unsere Plan!»
Kantonal hat der Klimastreik Basel eine «Ideensammlung aus der Bevölkerung» zum Start der neuen Legislaturperiode veröffentlicht. Die Ideensammlung ist primär an die politischen Akteur*innen Basel-Stadts gerichtet (Grosser Rat, Regierungsrat, Parteien) und enthält konkrete, umsetzungsreife Vorschläge für den Kanton Basel-Stadt.
Im Rahmen des Klimastreiks vom 16. Februar 2020, der unter dem Motto «Was isch eure Plan?» stand, wurden online und mit Formularen auf Flyern Ideen und Forderungen für ein klimafreundliches Basel gesammelt. Daraus entstand eine umfangreiche Ideensammlung für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Neben den unbearbeiteten Antworten aus der Bevölkerung, welche hinten im Dokument verlinkt sind, beinhaltet dieses Papier etliche kurz kommentierte Ideen und zehn konkrete Konzepte, die mehr oder weniger eins zu eins so umgesetzt werden könnten in Basel.
Ein erster Schritt
Die Klimakrise erfordert zeitnahe Massnahmen auf allen Ebenen: international, national, kantonal und kommunal. Doch anstatt zusammenzuarbeiten und zumindest auf niedriger Stufe etwas zu verändern, wird die Verantwortung häufig hin und her geschoben. Zu oft ruht sich der Kanton Basel-Stadt darauf aus, dass er im Vergleich zu anderen Kantonen und der Eidgenossenschaft schon weit sei. Dabei wird ignoriert, wie wenig Zeit uns noch bleibt. Die bisherigen Massnahmen reichen bei weitem nicht aus!
Die beiden Klimastreik-Papiere sind keine Masterpläne für die Lösung der Klimakrise (falls überhaupt noch von einer Lösung die Rede sein kann). Sie sind ein erster kleiner Schritt. Es sind zwei Sammlungen mit Vorschlägen für Klima-Massnahmen. Sie zeigen mögliche Ansatzpunkte auf und sollen einen Anstoss für eine ambitioniertere Klimapolitik in allen Bereichen geben. Zusammen bilden sie die Grundlage eines gesamtgesellschaftlichen Prozesses. Dieser hat das Ziel, heute eine gemeinsame Lösung für die Klimakrise zu finden und eine kollektive Vision für unsere Gesellschaft von morgen zu entwickeln. Sie sind also erste Vorschläge für die ersten Schritte mit einem Zeithorizont von zwei bis vier Jahren.
Was bedeutet das für Basel?
Der Klimaaktionsplan und die Ideensammlung aus der Bevölkerung bieten zwei gute Ausgangspunkte für eine fortschrittliche kantonale Klimapolitik. Unserer Ansicht nach sind vor allem vier Punkte zentral, nämlich die Verkehrs- und Mobilitätspolitik, der Bausektor, der Umbau Basels zu mehr Hitzeresistenz (Vorbereitung auf die Krise) und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit.
Verkehr und Mobilität: Stadtverkehr muss in den nächsten Jahren grundlegend neu definiert werden. Der Hauptfokus der Baselstädtischen Verkehrsplanung darf nicht mehr auf dem Privatauto liegen. Im Gegenteil: Basel muss in den nächsten Jahren den Fuss- und Veloverkehr ins Zentrum stellen. Privatautos und „Umweltsünder“ wie E-Trottinetts und Enuus gehören nicht in die Stadt. Weiter darf der Flughafen auf keinen Fall an Attraktivität gewinnen (zum Beispiel durch einen S-Bahnanschluss). Vielmehr muss sich Basel-Stadt aktiv für einen Rückbau des Flughafens und für die Einstellung zumindest aller Kurzstreckenflüge einsetzen.
Gebäude und Immobilien: Auch der Bausektor wird einen grundlegenden Wandel durchmachen müssen. Wir brauchen einen möglichst raschen, kompletten Ausstieg aus fossilen Heizsystemen und statt dessen Solarzellen auf Dächern und an Fassaden. Ausserdem muss die Baubranche eine lokale Kreislaufwirtschaft anstreben. Die Sanierung von Häusern und die Wiederbenutzung von Baumaterialien müssen günstiger sein als Neubeschaffungen und Überbauungen.
Klima-Anpassung: Trotz all der Anstrengungen, die Basel und die Schweiz in den nächsten Jahren hoffentlich noch unternehmen werden, werden wir mit einer massiven Erderhitzung rechnen müssen. Wir müssen jetzt anfangen, uns auf die mittlerweile unausweichlichen Folgen vorzubereiten. Dazu gehören Massnahmen zur Kühlung des Stadtklimas in Basel (Strassen entsiegeln, massiv mehr Stadtbäume pflanzen) und eine Stärkung des Gesundheitswesens. Neben den gesundheitlichen Problemen muss mit weltwirtschaftlichen Krisen und dem damit einhergehenden Vertrauensverlust in die Demokratie gerechnet werden. Basel-Stadt muss also für lokale Wirtschaftskreisläufe und einen hohen Selbstversorgungsgrad der Region (Stichwort: Städtische Landwirtschaft), eine Stärkung des Bildungssystems (Sozialkompetenzen und wegkommen von Konkurrenzdenken) und einen Ausbau der Demokratie hin zu mehr Partizipation (Stimmrecht für alle, Quartierversammlungen, etc.) sorgen.
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit: Basel-Stadt hat als Zentrum der trinationalen Region eine zusätzliche Aufgabe. Themen wie die regionale Landwirtschafts- und Ernährungspolitik (Stichwort: regionale Selbstversorgung), Stadtentwicklung und öffentlicher Verkehr können nur zusammen mit unseren Nachbarn angepackt werden. Wir brauchen aus diesem Grund eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den Kantonen Basel-Landschaft, Aargau und Solothurn, dem Landkreis Lörrach und den Arrondissements Mulhouse und Altkirch. Basel ist eine bilinguale 500'000 Einwohner*innen Metropole! Dem muss die Politik, dem müssen die einzelnen Bezirksregierungen gerecht werden und eine viel engere Zusammenarbeit anstreben. Nur gemeinsam wird die Klimakatastrophe abwendbar sein.
Wie gehts jetzt weiter?
Der Klima-Aktionsplan und die Ideensammlung aus der Bevölkerung müssen nun möglichst breit diskutiert werden. Sowohl in der Klimabewegung allgemein, als auch im Klimastreik gibt es Lesegruppen, die sich dem ausführlichen 400-seitigen Klima-Aktionsplan annehmen und sich Möglichkeiten für die Umsetzung in der Region Basel überlegen. Wir wünschen uns, dass sich auch das Parlament den beiden Papieren annimmt und einen eigenen weitergehenden und ausführlichen Klimaplan ausarbeitet. Basel-Stadt muss in den nächsten vier Jahren zum Musterbeispiel für konsequente Klimapolitik werden.
Auf zur Klima-Legislatur!
Sowohl die Basler Ideensammlung, als auch der nationale Climate Action Plan sind auf der Website des Klimastreik Basel zu finden: www.klimastreik-bs.ch
Kasimir & Marvin