Keine Kürzungen bei der Sozialhilfe – keine Verschärfung der Armut

Es ist wieder en Vogue Asylsuchende, Geflüchtete und ausländische Bevölkerung mit Sozialhilfe bzw. Ausnutzung von medizinischen Angeboten in Verbindung zu bringen.

Von den 18 Interpellationen im Oktober (Nr. 102 bis 118) befassen sich mehr als ein Drittel mit obengenanntem Thema. Die sieben Interpellationen - allesamt von rechtsbürgerlicher Seite - haben etwas Gemeinsames. Sie verbinden die Mehrausgaben bei der Sozialhilfe mit einem Teil der Bevölkerung dieser Stadt. Asylsuchende, vorläufig aufgenommene Geflüchtete, Ausländer*Innen werden für die Mehrausgaben bei der Sozialhilfe, fürs Ausnutzen der Sozialhilfesysteme und der medizinischen Angebote und somit für die indirekte Kostensteigerung im Gesundheitswesen verantwortlich gemacht. 

Es scheint, dass die Erfolge der extremen Rechten in Deutschland, Österreich und Frankreich unsere lokalen Politiker*innen beim Interpellationen schreiben beflügelt haben, obwohl die Zahlen der Asylgesuche rückläufig sind. Es wird ein Problem konstruiert und auf eine marginalisierte Bevölkerungsgruppe reduziert. Dabei wird völlig ausser Acht gelassen, dass die Mehrausgaben in der Sozialhilfe auch den tiefen, nicht existenzsichernden Einkommen im Niedriglohnsegment und den gestiegenen Miet- und Krankenkassenkosten geschuldet sind. Zudem wird auch die ablehnende und restriktive Grundhaltung der IV-Stelle Basel-Stadt völlig ausgeblendet. Das Lieblingsthema der Rechtspopulisten „Asyl und Sozialhilfe“ wird erneut aus dem Hut gezaubert und die Schuld für gesellschaftliche Probleme spezifischen Gruppen zugeschrieben.

Neben der fremdenfeindlichen Richtung dieser Interpellationen besteht eine weitere Gefahr – den Kampf gegen Armutsbetroffene zu Verschärfen. Ist die Sozialhilfe für vorläufig aufgenommene Geflüchtete erst gekürzt, kann grundsätzlich auch die Höhe der Sozialhilfe für alle Betroffene infrage gestellt werden. Armutsbetroffene haben kaum eine Lobby und die Sozialhilfe steht gesamtschweizerisch in vielen Kantonen unter Druck.

Aus linker Sicht sind alle Kürzungen der Sozialhilfe für Personen die hier Leben abzulehnen. Die Kürzung der Sozialhilfe produziert grössere Armut, welche die Chancen der Teilhabe an der Gesellschaft minimiert. Es beginnt eine negativ Spirale – und die finanzielle, soziale und individuelle Armut vergrössert sich. Kinder aus armutsbetroffenen Familien sind einem hohen Risiko ausgesetzt, da sie schlechtere Bildungschancen haben und schnell in der Armutsfalle ihr ganzes Leben verbringen müssen. Zudem sind diese Kinder auch höheren Gesundheitsrisiken (psychische Erkrankung, Suchtentwicklung) und sozialen Folgeschäden (Schulden, Einsamkeit) ausgesetzt. Armut erzeugt Armut.

Die nun vom Regierungsrat beschlossene Kürzung der Sozialhilfe für vorläufig aufgenommene Geflüchtete um 20% ist zwar moderater als in anderen Kantonen der Schweiz, aber trotzdem abzulehnen. Diese Flüchtlinge werden dauerhaft hier bleiben und kaum zurückreisen können. Sie müssen somit in der Lage sein, am Leben in dieser Stadt teilnehmen zu können. Eine Kürzung von 20% ist für die betroffenen Personen und Familien existentiell und verschärft die negativen Auswirkungen der Armut.

Die Regierung hat ihren Spielraum der Umsetzung des Asylgesetzes nicht ausgenutzt. Zwar muss die Sozialhilfe neu für die „nicht einheimische“ Bevölkerung niedriger sein, doch hier hätte auch 1 Franken genügt. Im Gegenteil stützt sie nun mit ihrem Vorgehen und ihrer Haltung weitere Kürzungsphantasien der SVP bei Asylsuchenden, vorläufig Aufgenommenen und schlussendlich bei allen Armutsbetroffenen, welche von der Sozialhilfe leben müssen. Ab dem 1. Januar 2018 wird bei der Auszahlung der Sozialhilfe zwischen anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen unterschieden. Mutig und für unsere humanistische Stadt angemessen wäre es gewesen, die Sozialhilfe um einen Franken zu erhöhen. Dies wäre ein wichtiges Signal  – schade dass es der links-grünen Regierung an diesem Mut fehlt.

Wir müssen uns mit den Betroffenen, unterstützenden Hilfsorganisationen und sozialen Bewegungen gegen weitere Kürzungen in der Sozialhilfe zur Wehr setzen. Vielleicht ist es an der Zeit mit einer Vielzahl an Interpellationen die Regierung zum Untersuchen der negativen Auswirkungen der Armut zu zwingen. So kann aufgezeigt werden, dass Kürzungen in der Sozialhilfe viel höhere gesellschaftliche Folgekosten auslösen.

Oliver Bolliger, Sozialarbeiter und Grossrat BastA!