Freizeitgartenreferendum - Warum?

Kleingarten, Schrebergarten, Heimgarten, Familiengarten, Freizeitgarten, Laube…, ein Bänkli in der Abendstimmung. Bilder kleinbürgerlicher Idylle scheinen auf. Doch: Was sind Familiengärten in Basel?

In Basel umfassen die meisten Familiengärten 200 m2. Sie werden mehrheitlich von der Stadtgärtnerei verwaltet und vergeben. 37 Vereine aus BS und fünf Vereine aus BL sind im Zentralverband der Basler Familiengärtner-Vereine zusammengeschlossen, der seit 1918 als Scharnier und Vermittlungsstelle zwischen Stadtgärtnerei, den Vereinen und Pächter*innen funktionierte. Die Pächter­*innen bezahlen eine Pacht und den Vereinsbeitrag, der für den Unterhalt des Areals eingesetzt wird. Die Gärtner*innen gehen mit dem Vertrag Verpflichtungen ein, die in der Gartenordnung der Stadtgärtnerei festgehalten sind. Durchschnittlich zwei Stunden Arbeit täglich braucht es, sagte mir mein Pachtvorgänger aus 60 Jahren Garten­erfahrung.

Warum Familiengärten?

Auf die Gründerzeit Ende 19. Jahrhunderts geht zurück, dass die Gärten der Gesundheit dienen sollen. Gärtner*innen arbeiten im Freien, pflanzen und ernten Gemüse, Früchte und Blumen für den Eigengebrauch. Der Familiengarten bietet Kindern und Jugendlichen den Erlebnisraum Natur, hilft voll arbeitenden Stadtbewohner*innen sich bei Gartenarbeit zu entspannen, bietet Rentner*innen Kontaktmöglichkeiten und Migrant*innen einen Begegnungsraum. Arbeits­lose finden im Garten Struktur und ein Betätigungsfeld. Beeinträchtige Men­schen schöpfen im Garten Kraft für ihren Alltag. Familiengärten haben so seit über 100 Jahren eine wichtige Funktion in der Gesundheitsförderung und -erhaltung.

Wer hat einen Freizeitgarten in der Stadt Basel?

Wer ein eigenes Grundstück mit Garten besitzt, braucht keine Parzelle. In den Arealen pachten meistens Menschen, die in den engen, zubetonierten Stadtquartieren in Mehrfamilienhäusern leben. Viele Menschen leben von Renten, der Garten ist ihr Refugium und ihr Erholungsraum. Sie kommen aus unterschiedlichen Kontexten. Gemeinsam ist ihnen die Motivation zur Arbeit mit der Natur und die Freude, die Pflanzen im Jahreszyklus zu erleben. Begegnungen: *Neben meiner Parzelle hat eine Gruppe junger Männer die Parzelle gepachtet. Sie haben sie mehrfach umgebaut, gemütliche Ecken mit Paletten geschaffen, Beete angelegt und ein Gewächshäuschen installiert. Zeitweise sind sie oft dort, arbeiten wie verrückt, grillen und feiern. Manchmal sieht man sie kaum, dass Unkraut schiesst auf und wird dann in dynamischen Aktionen wieder entfernt. Ein stetes und meist fröhliches Bauen, Umgestalten, Ausprobieren. Junge Menschen, die sich mit der Natur auseinandersetzen.
Im Umfeld meiner Parzelle ist Diversität in allen Schattierungen erlebbar. Meine Nachbar*innen kommen aus Kosovo, Monte Negro, Serbien, Albanien, Polen, Italien, der Türkei und aus der Schweiz. Sie sind zwischen 20 und 85 Jahre alt. Einige sind in Ausbildung, andere arbeiten noch voll. Viele sind IV- oder AHV-Rentnerinnen. Sie sieht man fast täglich im Garten stundenlang ihre Parzellen gestalten und pflegen. Die wenigsten Pächter*innen arbeiten alleine im Garten. Kinder spielen auf den Wegen, Partner*innen und Eltern kommen und helfen mit. Auch die Gartenvorstellungen sind vielfältig: von klar strukturierten und von jeglichem Unkraut freien Parzellen mit schnurgeraden Pflanzenreihen zu divers gehaltenen mit Beikraut durchsetzten Gärten bis hin zu idyllisch gestalteten Biotopen findet man/frau fast Alles.

Wie sieht die Zukunft der Familiengärten aus?

Eigentlich kann es weitergehen wie bisher: die Areale bleiben erhalten, freiwerdende Parzellen werden an Neupächter*innen vergeben. Das Leben in den Arealen setzt sich weiter in gewohnter Weise fort.
Wird die Abstimmung über die Revision des Freizeitgartengesetzes am 25. September 2022 von der Basler Stimmbevölkerung angenommen, dann könnte das Leben in unseren Familiengärten aber anders aussehen.

  • Parzellen könnten - wie auch mit dem bisherigen Gesetz - für nicht weiter definierte «übergeordnete Interessen» ersatz­los aufgehoben werden. Zu den in den letzten Jahren ersatzlos geräumten und überbauten 1021 Parzellen stehen weitere ca. 150 Parzellen zur Disposition, ohne dass die 82 Ha (zugesagt in der Abstimmung 2011) unterschritten würden.
  • Das Anrecht auf einen gleichwertigen Ersatz bei Aufhebung ist mit der Teilrevision aus dem Gesetz verschwunden: jetzt soll ein Garten nur noch «soweit möglich» ersetzt werden.
  • Die Einsprachemöglichkeiten bei Kündigung sind neu auch erschwert: Ein­sprachen werden zu einem Verwaltungsakt und verursachen der Kosten von ca. CHF 600. Das können sich nicht Alle leisten.

Die Stadtgärtnerei verfasste im November 2021 eine «Strategie für die Entwicklung der Freizeitgärten» mit neuen Freizeitgarten­modellen. Sie lag weder der vorberatenden Kommission noch dem GR bei der Abstimmung im März 2022 vor. Das neue Gesetz schafft die Basis, dass die Stadtgärtnerei Areale nach eigener Einschätzung umgestalten kann – weit über Durchwegungen hinausgehend. Parzellen könnten auch verkleinert oder halbiert werden, wenn die Stadtgärtnerei diese Massnahme aufgrund der langen Wartelisten umsetzen möchte. Mitentscheiden dürfen die Verein und Pächter*innen nicht: sie werden nur angehört.

Was erwarten wir von einem neuen Familiengartengesetz?

Wir erwarten, dass ein neues Familien­garten­gesetz explizit ausführt, dass

  • Parzellen und Areale erhalten bleiben: sie oder Teile davon dürfen nur in dringenden Ausnahmefällen reduziert oder aufgehoben werden können. Das verlangt nach einer einschränkenden Definition von «über­geordnete Interessen» und der Garantie, dass für aufgehobene Flächen mindestens gleich grosse erschlossen werden.
  • Bei Wegnahme eines Gartens ein Recht auf möglichst gleichwertigen Ersatz garantiert ist,
  • Vereine und Pächter*innen aktives Mit­spracherecht bei Umgestaltungen bzw. Auf-wertungen ihrer Areale haben,
  • das bisher kostenlose Einspracherecht er­halten bleibt,
  • als Ziel die Erhöhung der Familien­gartenfläche genannt wird, um die spärlichen 13% «Grünfläche» in Basel mit ergänzenden sinnvollen Modellen zu erweitern.

Visionen und Wünsche?

Ja, wir haben Visionen: Wir wünschen uns ein grünes Basel mit Familiengärten, Parks, bepflanzten Leerräumen, Brachen, Bal­konen…. Wir wünschen uns ein Neben- und Miteinander von verschiedenen Modellen, die den Menschen in dieser Stadt ein gesundes Umfeld schaffen. Wir wünschen uns, dass Menschen mit geringem Einkommen auch in der Stadt Basel ein Stück Erde bepflanzen dürfen und ihre Parzellen und ihre Arbeit geschützt sind. Wir wünschen uns, miteinander und nicht gegeneinander zu planen und zu arbeiten für eine grüne Zukunft. Wir wünschen uns ein Gesetz, das dazu die Basis schafft. Darum: NEIN zu DIESEM Freizeitgartengesetz!


Dora Borer, BastA! Mitglied und Vorstandsmitglied des Vereins "Hände weg von unseren Gärten"