Die feministische Revolution

Es sind die iranischen Frauen, die diesen Protest ausgelöst haben. Es sind die iranischen Frauen, die diese Revolution anführen und es werden die iranischen Frauen sein, die über den Erfolg dieses Aufstandes entscheiden werden.
#ZenZendegiAzadi – der Slogan, der über der Revolution im Iran steht, heisst darum «Frauen, Leben, Freiheit». Viele der Protestierenden fordern den Sturz des islamischen Regimes und wollen stattdessen ein säkulares System, in dem Staat und Religion getrennt sind. Ein System, in dem jede Frau selbst entscheidet, ob sie ein Kopftuch trägt oder nicht. Es geht um mehr Selbstbestimmung statt gewaltsamer Sittenpolizei. Neben dem tragischen Tod von Mahsa Ahmini, der als Auslöser der Proteste angesehen werden muss, sind unzählige weitere Menschen gestorben. Die Menschenrechtsverletzungen durch das Regime nehmen kein Ende, sondern werden immer schlimmer. In den letzten Wochen wurden über 15`000 – 20`000 Menschen verhaftet. Tausende wurden teils schwer verletzt. Über 200 Menschen wurden getötet – darunter alleine 23 Kinder. Junge Frauen werden getötet, weil sie das Kopftuch nicht richtig tragen. Junge Frauen verschwinden, weil sie sich in den sozialen Medien gegen das Regime geäussert haben. Der religiöse Fanatismus hat sogar dazu geführt, dass kürzlich ein Gericht zwei lesbische Iranerinnen wegen «Korruption auf Erden» schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt hat. Die Aufzählung könnte weitergeführt werden, darum möchte ich hier mein tiefstes Beileid aussprechen.
Doch was heisst das für die Schweiz?
Ich und die Grünen waren die ersten, die hierzulande eine feministische Aussenpolitik gefordert haben. Wir wollen, dass die feministische Perspektive in unserer Aussenpolitik mehr Gewicht erhält. Eine feministische Aussenpolitik heisst jetzt, sich mit den Frauen im Iran zu solidarisieren und sie nicht als Opfer, sondern als Held:innen zu sehen. Doch dies allein reicht nicht, nein, es braucht politische Konsequenzen. Das Regime und all seine Anhänger gehören hart sanktioniert, Einreiseverbote verhängt und Gelder müssen sofort eingefroren werden. Statt auf ein Atomabkommen zu setzen, sollte Europa erst einmal die Zivilgesellschaft in ihrem Wunsch nach einem regime change unterstützen. Das verlangt Mut von den Regierungen ja, doch niemals so viel Mut, wie ihn gerade jede einzelne Frau im Iran aufbringt, die fordert, was jede Feministin unterstützen sollte: Frau – Leben – Freiheit. Kurz: Es braucht einen Richtungswechsel in der Iran-Politik. Das gilt auch für die Schweiz und den Bundesrat. Und genau dieser bleibt in diesen Wochen viel zu still. Auch wenn die offizielle Schweiz die Handlungen des iranischen Regimes inzwischen verurteilt hat, ist es noch viel zu wenig. Es braucht Aktion wie zB. die rasche und unkomplizierte Vergabe von humanitären Visen für Iraner:innen. Und all das nicht in einer Woche, nicht in einem Monat, sondern morgen oder noch besser bereits heute! Jede Untätigkeit macht uns zu Kompliz:innen von Ungerechtigkeit, Gewalt und Leid. Jedes Abwarten kostet mehr Menschenleben und jede Inkonsequenz wird auf uns zurückkommen.
Ich will hier nochmals in aller Klarheit sagen: die Gewalt des iranischen Regimes ist aufs Gröbste zu verurteilen. Die Frauen im Iran sind bereits heute unsere Held:innen – denn erst wenn alle Frauen frei von Unterdrückung sind, können auch alle Menschen wirklich frei sein. Zen Zendegi Azadi – Frauen, Leben, Freiheit!!!
Sibel Arslan, Nationalrätin