Demokratie, Macht und Verteilungsgerechtigkeit im Bürgergemeinderat

In den letzten Monaten der aktuellen Legislatur stehen im Bürgergemeinderat zentrale Aspekte zu Good Governance und Gelder-Zuteilungen in den Sozialbereich in der Diskussion.

Im Fokus sind die Christoph Merian Stiftung und vier weitere Stiftungen, aber auch eine legitime politische Beteiligung von links-grün an der Exekutive.

1.)  Mit einem «Auftrag» haben vier Bürgergemeinderatsmitglieder aus SP, FDP, BastA und EVP gefordert, dass die Stiftungsaufsicht der Bürgergemeinde zu entflechten und an die Stiftungsaufsieht beider Basel (BSABB) zu übertragen.

Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) hatte schon 2017 in ihrem Evaluationsbericht «Wirksamkeit der Aufsicht über die klassischen Stiftungen» folgendes festgestellt: «Es ist fraglich, ob auf Gemeindestufe mit der Aufsicht über eine oder zwei Stiftungen die erforderliche Fachkompetenz sichergestellt ist. […]». Bei vielen Stiftungen sei zwar eine enge Verbindung der Organe unumgänglich, was aber zu Interessenkonflikten führe. Damit den Anforderungen an die Professionalisierung und die Unabhängigkeit besser entsprochen werden kann, empfiehlt die EFK die Stiftungsaufsicht der Gemeinden an die unabhängigen (kantonalen) öffentlich-rechtlichen Aufsichtsanstalten zu übertragen.

In der Folge hat beispielsweise der Kanton Zürich seine Rechtsgrundlagen angepasst und die Stiftungsaufsicht seiner Gemeinden an die selbständige, unabhängige Aufsichtsanstalt übertragen. Nicht so die Bürgergemeinde Basel! Sie lässt nach wie vor ihre Stiftungen, allen voran die äusserst potente Christoph Merian Stiftung (CMS) - Bruttovermögen 1.7 Milliarden, jährliche Fördersumme etwa 25 Mio., über 100 Mitarbeitende - nicht professionell beaufsichtigen. Dies scheint uns äusserst problematisch, ein unbefriedigendes Konstrukt, das einer zeitgemässen und sauberen Lösung bedarf.
Unsere Handlungsanträge waren vorsichtig formuliert: Sollten wir uns nicht überlegen…

  • ...Die Stiftungsaufsicht wie von der EFK empfohlen, der kantonalen (unabhängigen) Stiftungsaufsicht zu übergeben. Die Stiftungskommission/Stiftungsrat und Bürgerrat personell zu entflechten. Und ob die Oberaufsicht des Bürgergemeinderates nicht einer Klärung bedürfe.
  • …Die Aufsichtskommission sollte, zu Handen des Bürgergemeinderates, nach Vorliegen des Gutachtens mit Handlungsempfehlungen berichten und eine Gesetzesänderung vorschlagen.

Dennoch: die Wellen gingen schon im Vorfeld der Frühlingssitzung hoch. Die Diskussion im Saal war äusserst hitzig.  Mit 17 Ja-Stimmen zu 17 Nein-Stimmen und einem Stichentscheid der bürgerlichen Bürgerratspäsidentin zu Ungunsten des Vorstosses! - wurde das Anliegen dann versenkt. Nicht einmal eine Überprüfung der Praxis wurde vom bürgerlichen Block zugelassen! Bei so knappen Resultaten muss man sich auch fragen, ob nicht eine zweite Runde angebracht ist.

2.) Die Christoph Merian Stiftung setzt nur 17% ihrer gesamten Fördergelder für den zentralen Stiftungszweck «Linderung der Noth und des Unglücks» ein. Dabei wäre gerade in diesem Zweckbereich in Basel grosser Handlungsbedarf. Sowohl bei der Armutsbekämpfung, als auch beim Einsatz für Geflüchtete würde ein verstärktes Engagement dem Stifterwillen sehr entsprechen.
Nun steht der Leistungsauftrag der CMS für die Periode 2025-2028 im Raum. Klar, der schweizerische Sozialstaat hat in den letzten Jahrzehnten die Armutsbekämpfung in Basel beeinflusst. Trotzdem sind soziale «Noth» und «Armut» aktuell sehr relevante Themen – gerade bezüglich der Entwicklungen beispielsweise im Migrations- oder Flüchtlingsbereich, betreffend Gesundheit, Bildung und Arbeit. Im von der CMS selbst initiierten und finanzierten 300-seitigen «Armutsbericht Basel-Stadt» wurde mit fundierten «facts and figures» aufgezeigt, dass Armut in Basel ein zeitgemässes, bedeutendes Thema ist. Der CMS-Präsident selbst schrieb, dass die im Armutsbericht aufgezeigten «43 Handlungsempfehlungen uns und den Verantwortlichen in Basel als Basis zukünftigen Handelns im Armutsbereich dienen sollen» (Vorwort). Auch weitere neuere Studien zeigen auf, dass die für Christoph Merian so wichtige Armutsbekämpfung ein brennendes Thema in Basel bleibt: von «Kinderarmut» (Sozialbericht Basel-Stadt) bis «Altersarmut» (Pro Senecute).

Doch das Gesamt-Engagement-Volumen 2021 von CHF 22.2 Mio. setzt sich zu Ungunsten des sozialen Aspektes zusammen. In den Jahren 2020 und 2021 wurden grössere Corona-Beiträge für in Not geratene soziale und kulturelle Institutionen gesprochen, nicht aber von der Christoph Merian Stiftung, sondern von der Dachstiftung d.h. von der Stiftung Frank und Alma Probst.
Mit einem so geringen Anteil von nur 17 Prozent für den Stiftungszweck «Linderung der Noth und des Unglücks» am CMS-Gesamtengagement werden die Vorgaben des Testaments von Christoph Merian bezüglich Stiftungszweck ungenügend berücksichtigt. Nur 4 Prozent aller CMS-Mitarbeitenden arbeiten in der Abteilung Soziales.
Eigentlich ist es die Hauptaufgabe der Stiftungsaufsicht dafür zu sorgen, dass der Stiftungszweck eingehalten wird. Weshalb die Stiftungsaufsicht (heute Oberaufsicht Bürgerrat) im vorliegenden Fall nicht näher hingeschaut hat, ist schwer verständlich. Diese ungenügende Berücksichtigung des Stifterwillens sollte in den nächsten Jahren über den CMS-Leistungsauftrag aber auch insgesamt korrigiert werden.

3.) Und damit kommen wir zum dritten Punkt. Wegen dem knappen links-rechts Stimmenverhältnis im Bürgergemeinderat und einem besonderen Verständnis der Mehrheit, werden die Exekutiv-Sitze nicht proportional verteilt, sondern nach dem Mehrheitsprinzip und vor allem an die rechts-bürgerlichen bis Mitteparteien vergeben. Dem Grünen Bündnis wird seit Jahren trotz entsprechender Stärke ein exekutiver Sitz vorenthalten.
Für die Legitimation der Bürgergemeinde wären ein fairer Proporz, die Klärung der Gewaltenteilung sowie verbesserte Transparenz gegen aussen richtige und wichtige Schritte. Die Umstrukturierung und Bündelungen der städtischen Aufgaben auf eine Einwohnergemeinde (ohne Mitsprache von Riehen und Bettingen) wären zur Zeit überzeugender.

Daher brauchen wir bei den nächsten Wahlen unbedingt 20 und mehr Sitze!

 

 

Brigitta Gerber,
Bürgergemeinderätin BastA!