Das jgb im Grossen Rat

Ein Erfahrungsbericht von Anouk Feurer

Seit Oktober ist das jgb neuerdings mit drei Grossrät:innen im Parlament vertreten: Mit Jo Vergeat (27), Laurin Hoppler (21) und mir (22). Am 19. Oktover hatte ich meinen ersten Grossratstag. In diesem Beitrag möchte ich euch durch meinen Morgen mitnehmen.

Schon für die Fraktionssitzung war ich total aufgeregt. Die vier Geschäfte, die mir Tonja zugeteilt hat, ging ich im Detail durch, fasste sie zusammen und sprach mich mit Fraktionskolleg:innen ab: Lieber zu gut als zu schlecht vorbereitet, dachte ich. Als ich an der Fraktionssitzung meine Abstimmungs­empfeh­lung nur mit “Ja/Nein” eingab, und nicht einmal begründen musste, hätte ich eigentlich merken müssen, dass ich das Ganze etwas lockerer nehmen durfte.

Dennoch war ich am Abend vor dem Grossratstag so nervös, dass ich kaum schlief, und am Morgen aufstand, als hätte ich schon fünf Espressi intus.
Weil der “erste Eindruck zählt” und weil die Mehrheit der Grossrät:innen in Anzügen daher kommt, habe ich zu viel Zeit am Kleiderschrank verbracht und bekam dank Beratung meiner jüngeren Schwester ein Remix-Outfit aus ihrem, meinem und dem Kleiderschrank meiner Mutter.

Im Rathaus angekommen, gab mir Herr Flury eine Tour durchs Haus (...natürlich habe ich die Hauspläne im Voraus schon genauestens studiert. Meinen Platz gefunden habe ich auf den ersten Anlauf trotzdem nicht). Dann begleitete ich mein Grossmami und mein Gotti auf die Tribüne. Tatsächlich wurde mir vor allem ihretwegen klar, wie unglaublich es überhaupt ist, dass ich dieses Amt bekam: In meinem Alter durfte sie noch nicht einmal abstimmen.

Kaum trafen andere Grossrät:innen ein, begann ein riesen Halli-Hallo. Ich habe noch nie so viele Menschen an einem Tag kennengelernt, gegrüsst und Smalltalk gehalten. Ich hatte keine Chance, mir alle Namen plus Parteien, plus Kommissionen zu merken. Mit den Fotos auf der Grossratsseite und dem Laptop auf der schwächsten Helligkeit, versuchte ich möglichst unbemerkt zu recherchieren, wer wer ist.
Als Jo Vergeat mich zu Beginn der Sitzung  offiziell begrüsste, ich gefühlte 5 Minuten (es waren etwa 20 Sekunden) da stand und mich alle anschauten und applaudierten, war für mich das Schlimmste überlebt.
Es kam zu den ersten Geschäften. Als ein Fraktionssprecher gute 50 Minuten ein Votum hielt, verliessen viele zeitweise den Raum. Für einen Kaffee im Grossratskaffi, eine Zigarette im Innenhof, Gespräche oder Arbeiten im Vorzimmer.

Mir war nicht klar, was für ein Geläufe im Saal tatsächlich herrscht. Und die, die stillsitzen, schauen konzentriert in den Laptop, lesen eine Zeitung (es liegen im Vorzimmer hunderte von Zeitungen bereit), bereiten ein Votum vor oder spielen irgendwann eine Runde Solitaire.

Auch ich betrieb Multitasking: Neben dem Zuhören bereitete ich für Social Media verschiedene Posts für den @jgbnordwest Instagram-Account vor. Mein Ziel ist es nicht nur, unsere Wähler:innen im Rat zu vertreten, sondern auch den Rat nach draussen zu bringen. Und bekanntlich ist meine Generation vor allem auf Instagram unterwegs. Nacheinander trafen bei mir SMS und Kommentare ein, viele freuten sich über einen weiteren jungen Menschen im Parlament.

Zum Glück musste ich diesen Monat noch kein Votum halten. Aber ich freue mich sehr (und werde unendlich nervös sein), wenn ich dann doch mal meinen Senf zur Sache beitrage.

Anouk Feurer