Bundesverwaltungsgericht rügt Nachrichtendienst des Bundes

Nach mehr als zwei Jahren Verfahrensdauer kam das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass der Nachrichtendienst des Bundes keine ausreichende Begründung geliefert hat, um der Partei BastA! Auskünfte, die im Zusammenhang mit der Untersuchung der Geschäftsprüfungsdelegation stehen, zu verweigern.

Titelbild des Fichenfritz, Ausgabe 17 /1997). Der Fichen Fritz war die Zeitung des Komitees «Schluss mit dem Schnüf­felstaat». Sie erschien von Februar 1990 bis Juni 1998. Auf der Website fichenfritz.ch werden alle 33 Ausgaben digital zugänglich gemacht. Das Projekt wird von buch & netz im Auftrag von grundrechte.ch durchgeführt. Quelle: https://fichenfritz.ch/fichen-fritz-nr-17/#&gid=1&pid=1

Die unendliche Geschichte der Schnüffelei

Nach dem Fichenskandal, bei dem bekannt wurde, dass der Schweizer Staatsschutz bis zum Ende des kalten Krieges rund 90`000 Menschen überwacht hat, könnte man meinen, es sei ruhiger geworden. So mancher spätere Skandal wurde nur durch Zufall öffentlich, als beispielsweise 2015 eine Wahlkampfveranstaltung (Ständerat)im kurdischen Verein überwacht wurde.
Seit 2018 ist BastA! nun dabei Akten anzufordern. Der Prozess ist zäh und langsam, aber es lohnt sich, dem Nachrichtendienst auf die Finger zu schauen. Viel zu schnell erhält er blindes Vertrauen ausgesprochen und Kompetenzen ausgeweitet.
Nach allen uns vorliegenden Anfragen wissen wir, dass der Nachrichtendienst zu viele Daten erfasst. Teilweise erhielten unsere Mitglieder die Auskunft, dass keine Daten über sie hinterlegt sind. Spätere Anfragen der BastA! ergaben jedoch Daten zur Person. Der Nachrichtendienst sammelt auch aus öffentlichen zugänglichen Quellen, unterlässt es jedoch weitgehend, irrelevante Personeninformationen zu schwärzen. Die Möglichkeit der Volltextsuche führt de facto dazu, dass alle gespeicherten Daten personenspezifisch erschliessbar sind. Aus meiner Sicht ist das gleich zu behandeln wie physisch angelegte Dossiers.
2019 schliesslich überprüfte die Geschäftsprüfungsdelegation, bestehend aus National- und Ständerät*Innen, die Arbeit des Nachrichtendienstes. Auf ihrer Website hält die Geschäftsprüfungsdelegation fest: „Es zeigte sich, dass der NDB Informationen über die politische Betätigung und über die Ausübung der Meinungs-, Versammlungs- oder Vereinigungsfreiheit teilweise im Widerspruch zu den rechtlichen Vorgaben beschafft und bearbeitet hat.“
Nach der Veröffentlichung des Berichts stellten wir erneut ein Auskunftsbegehren und erhielten im November 2019 Verfügungen, in denen uns mitgeteilt wurde, dass wir keine Auskunft über 18 Dokumente erhalten werden.
Diese Verfügung fochten wir schliesslich vor dem Bundesverwaltungsgericht an. Das Bundesverwaltungsgericht hebt die Verfügung des Nachrichtendiensts des Bundes vom 20. August 2020 auf und fordert vom NDB eine erneute Prüfung.
Das Gericht hält fest, dass der Nachrichtendienst des Bundes die Einsicht in Dokumente nicht verweigern darf, ohne dass dafür überwiegende Gründe bestehen und ohne dass solche Gründe nachvollziehbar dargelegt werden. „Die informationelle Selbstbestimmung ist ein Grundrecht, das nicht einfach so beiseite geschoben werden darf“, erklärt Viktor Györffy von grundrechte.ch.
Zwar wissen wir zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht, welche Informationen so vertraulich sein könnten, dass man uns diese nicht mitteilen dürfte. Wir sind aber zuversichtlich, dass die erneute Prüfung Aufschluss darüber gibt, da es auch andere Personen und Vereine ermutigt, sich gegen willkürliche Staatsschnüffelei zur Wehr zu setzen.

„Die Kombination aus Anhäufung von Datenbergen und intransparenter Arbeitsweise gefährdet unsere Grundrechte. Daher bleibt es eine zentrale zivilgesellschaftliche Aufgabe, genau hinzuschauen und die Geheimdienste in die Schranken zu weisen, damit sie sich nicht weiter verselbstständigen und das aushöhlen, was sie zu schützen vorgeben: unsere Demokratie“ so Viktor Györffy, Präsident von grundrechte.ch.

 

Franziska Stier,
Parteisekretärin BastA!