Besuch im Bässlergut: alles hat seine ordnung nur eben die falsche ...

Am 6. Oktober besuchte eine Gruppe rund um die Schweizerische Beobachtungsstelle Asyl- und Ausländerrecht das Gefängnis Bässlergut. Die Führung wurde von der Gefängnisleitung bzw. dem Leiter der Administrativhaft durchgeführt.

Das Gefängnis befindet sich direkt an der Grenze zu Deutschland, weit weg vom Leben der Stadt und direkt neben dem Bundesasylzentrum. In diesem Jahr fanden dort rund 25 Hungerstreiks statt. Sie sind oft der einzige Weg für Inhaftierte, auf Missstände aufmerksam zu machen.Probleme im Bässlergut sind nicht neu. Proteste, Berichte und parlamentarische Hartnäckigkeit führten dazu, dass per 1. Januar 2026 keine privaten Sicherheitsfirmen mehr im Gefängnis eingesetzt werden. Dieser wichtige Schritt löst aber nur einen Teil der Probleme.

Im Rahmen der Führung erfuhren wir einiges darüber, was es heisst ein Gefängnis zu leiten und vor welchen Herausforderungen das Personal im Alltag steht, jedoch nichts über die Schicksale der Menschen, die hier sind.

Im Bässlergut gibt es zwei Gebäudekomplexe. Ein Bereich ist für Strafgefangene reserviert. Der andere Bereich ist für Menschen in Administrativhaft. Schweizweit wird jedes Jahr in rund 3000 Fällen administrativer Freiheitsentzug angeordnet, um sicherzustellen, dass Betroffene das Land verlassen. Dabei wird diese Form der Haft nicht von Strafgerichten, sondern von Migrationsbehörden ausgesprochen. Das einzige «Verbrechen», das die Menschen begangen haben, ist einen Asylantrag gestellt zu haben und nicht ins Herkunftsland zurückkehren zu «wollen». Diese Form der Haft ist also eine «administrative Massnahme» und keine Strafe. 
Der Entzug der persönlichen Freiheit ist einer der schwersten Eingriffe in die Grundrechte eines Menschen. Er muss daher durch ein wichtiges öffentliches Interesse begründet sein. Gleichzeitig hat sich das ausserordentliche Mittel der Administrativhaft, in den letzten Jahrzehnten normalisiert und fundamentale Verfahrensvorgaben werden regelmässig nicht beachtet, hält der Bericht der Beobachtungsstelle Asyl- und Ausländerrecht fest. Es stellt sich die Frage, ob rechtsstaatliche Garantien für Menschen, welche sich ohne Bewilligung in der Schweiz aufhalten, weniger Geltung haben. Administrativhaft wird in der Schweiz mehrheitlich in Gefängnissen vollzogen und ist dadurch stark von den Praktiken und Symbolen des Strafsystems geprägt. Diese Kriminalisierung steht im Gegensatz zu ihrer eigentlichen Zielsetzung und Begründung.

Flüchtlingsgespräche
«Die Ordnung ist in solchen Zeiten absolut notwendig. Nehmen wir an, Sie und ich liefen herum ohne Bescheinigung, wer wir sind, so dass man uns nicht finden kann, wenn wir abgeschoben werden sollen, das wäre keine Ordnung.» Bertolt Brecht

Die Haft im Bässlergut

Beim Eintritt in das Gefängnis befinden sich die Menschen in Handschellen. In einem beengten Raum werden Fotos gemacht, der nackte Körper auf Gegenstände untersucht.  Wenn möglich, passiert das freiwillig. Wenn nicht, droht Zwang. Anschliessend werden sie einem Stockwerk mit Einzel- und Doppelzellen zugewiesen. 

Alles wirkt sehr ordentlich und strukturiert, unaufgeregt werden wir durch das Gebäude geschleust und die Abläufe geschildert. Es drängt sich Bert Brecht in den Kopf: «Nirgends sieht man mehr auf Ordnung als im Gefängnis...» Es herrscht Ordnung: die Hausordnung zum Beispiel. Keine Mobiltelefone, fixe Essens-, Hofgangs- und Besuchszeiten, 200 Minuten Internet pro Woche, ein Computer für Videotelefonie. Zellenaufschluss 07.15 Uhr, Zelleneinschluss 19.30 Uhr.  Dazwischen: Tischfussball, vielleicht Basketball im Hof, Besuch oder Arbeit – freiwillig für die Administrativhaft, verpflichtend für Strafgefangene. Mit CHF 3.75 pro Stunde kann man sich auch eine Tafel Schokolade im Kiosk kaufen. Es hat alles seine Ordnung. Im Obergeschoss sitzen das Migrationsamt und das Appellationsgericht. Auch die Architektur hat seine Ordnung. Ganz unten befindet sich neben der Erstaufnahmezelle auch die Disziplinarzelle für Ungehorsam, Respektlosigkeit und Gewalt. Bis zu 10 Tage verbringen Menschen hier, die sich aufsässig verhalten – allein. Isoliert. Hier, im Erdgeschoss gibt es wenig Tageslicht.

Im Freizeitraum gibt es Tischfussball, einen Computer und eine karge, ordentliche Küche - vielleicht bald mit der Möglichkeit zu kochen. Wir treffen hier auf eine Gruppe junger Männer. Sehr höflich bittet einer von ihnen, das Wort zu ergreifen. Er weiss nicht, wer wir sind und was wir hier tun. Aber er sucht Kontakt und erklärt, dass er keine Informationen zum Stand seines Verfahrens habe und bittet um Auskunft. Ihm wird mitgeteilt, dass man sich kümmere und in mir kommt Scham auf. Scham, weil wir als Fremde in ihrer Privatsphäre sind, weil niemand ihm sagt, was wir hier tun und weil niemand von uns wirklich reagiert. Schweigend verlassen wir den Raum. Es geht weiter in einen Arbeitsraum, den Gerichtssaal, das Migrationsamt und schliesslich zum «Draussen-Ort» mit Fussballtor und Basketballkorb. Der Ort wirkt leblos, aber ordentlich. Umgeben von Beton und Mauern. Selbst der Himmel ist vergittert.

Der Besuchsraum hingegen ist bunt bemalt mit Heissluftballons. In der Ecke eine Kinder-Kochnische und Tische. Dort findet unsere Abschlussdiskussion mit der Gefängnisleitung statt. Die Führung hinterlässt nicht den Eindruck eines Willkürregimes. Schliesslich hat alles seine Ordnung und doch fühlt sich alles daran falsch an. Was wäre, wenn die Ordnung die falsche ist?

Franziska Stier,
Parteisekretärin


Mehr Informationen dazu

Instagram Kanal, der Informationen rund um die Ausschaffungshaft im Gefängnis Bässlergut liefert:
www.instagram.com/Freemerou

Fachbericht Administrativhaft der Schweizerischen Beobachtungsstelle Asyl- und Ausländerrecht