Urban Citizenship – Ein Recht auf Stadt
Ein Viertel aller Bewohner*innen der Schweiz sind von politischer und rechtlicher Mitbestimmung ausgeschlossen, weil sie keinen Schweizer Pass besitzen. Der Zugang zu sozialen Dienstleistungen, zu Bildung, Arbeitsplätzen, öffentlichen Institutionen und anderen Räumen wir vielen von ihnen erschwert. Über Migration wird als Problem gesprochen und zahlreiche Migrant*innen als angebliche Konfliktquelle dargestellt, während sie aus Entscheidungspositionen ausgeschlossen bleiben. Diese Ungleichheit liesse sich durch den Zugang zu sozialen Rechten und Ressourcen für Alle, die an einem Ort leben, ausgleichen.
Die Stadt New York hat Januar 2015 einen kommunalen Personalausweis eingeführt. Bemerkenswert ist dies, weil auch New Yorker ohne legalen Aufenthaltsstatus Zugang zu diesem Dokument erhalten. Für 500 000 illegalisierte Migrant*innen, die im Schatten der Gesellschaft in permanenter Unsicherheit leben, wird dieser Ausweis völlig neue Teilhabemöglichkeiten eröffnen: Sie erhalten Zugang zu öffentlichen Infrastrukturen und Dienstleistungen, können leichter Miet-, Handy- und andere Verträge abschließen, unkomplizierter Bankgeschäfte erledigen und vieles mehr. Am wichtigsten ist, dass der Ausweis für sie einen Schutz im Umgang mit der Polizei bedeuten wird, weil bei einfachen Kontrollen nicht mehr erkennbar ist, ob sie über gültige Aufenthaltspapiere verfügen. Im Interesse eines funktionierenden Gemeinwesens ist es wichtig, dass die Stadtbewohnerinnen keine Angst vor einem Kontakt mit den städtischen Behörden haben müssen.
In der Schweiz sind viele frustriert, dass auf Bundesebene die Migrations- und Asylgesetze seit Jahren stets repressiver ausgestaltet werden. Deshalb wenden sich Aktivistinnen und Aktivisten zunehmend der kommunalen Ebene zuwenden, um die Lebensbedingungen von schätzungsweise 80 bis 300 tausend in der Schweiz lebenden Menschen ohne Papiere substanziell zu verbessern. Immer mehr Gruppierungen finden zusammen um sich gemeinsam für eine solidarische Zukunft einzusetzen. Für eine erfolgreiche Veränderung braucht es Druck durch eine breite Bewegung im Zusammenspiel mit einer progressiven parlamentarischen Lokalpolitik.
«Das Recht auf Stadt ist nicht einfach das Recht auf Zugang zum bereits Existierenden – sondern das Recht, es nach den eigenen Wünschen zu gestalten.» (David Harvey). Bei der Stadtbürger*innenschaft geht es darum neue Visionen zu entwickeln, in denen Zugehörigkeit und soziale Rechte auf anderen Kriterien beruhen: etwa dem Wohnort und Lebensmittelpunkt oder der Teilhabe an der Gesellschaft.
Zentral für die Weiterentwicklung dieser Idee ist die Aufenthaltsfreiheit, welche alle Menschen Berechtigt, in unserer Stadt zu leben. Die Diskriminierungsfreiheit, wodurch allen Menschen die gleichen Rechte zugesprochen werden und ein Schutz vor Diskriminierung gewährleistet ist. Und die Gestaltungsfreiheit, die ein Recht auf Teilhabe und Mitwirkung ermöglicht, dazu gehört auch die politische Gestaltung unserer Stadt. Diese Freiheiten beruhen darauf, dass wir dort an der Gesellschaft teilnehmen, wo wir wohnen, nicht dort, wo wir herkommen.
Verändert werden kann dadurch das Verständnis von Zugehörigkeit, weg von Migration als Problem, weg vom Integrationsimperativ und hin zu Fragen der Teilhabe, hin zur Thematisierung von Ungleichheiten und ungleichem Zugang zu Ressourcen.
Präsentation zur Veranstaltung "Urban citizenship" mit Sarah Schilliger