Mainstream Feminismus: Fluch oder Segen?

Für den Feminismus läuft es gerade sehr gut. Überall auf der Welt verschaffen sich die Frauen* für ihre feministischen Anliegen Gehör. Am 14. Juni 2019 sind in der Schweiz über eine halbe Million Frauen* und solidarische Männer auf die Strasse gegangen. In Irland, Argentinien und Chile kämpfen die Frauen* gegen die rigiden Abtreibungsverbote, in den USA demonstrieren sie gegen ihren sexistischen Präsidenten und in Indien gegen Vergewaltigungen. Unter dem Hash­ Tag MeToo machen Frauen* ihre Erfahrungen mit sexistischer Anmache, sexueller Gewalt und Belästigung öffentlich. Wie kaum eine andere Bewegung schafft es der Feminismus, transnational Millionen von Frauen* und Männern* zu mobilisieren. Der Feminismus ist im Mainstream angekommen.

Foto: zvg feministischer Streik Basel, Tilman Pfäfflin

Chic und massentauglich

Prominente Unterstützung erhalten diese Kämpfe von Superstars wie Beyoncé, Miley Cyrus oder Schauspielerinnen wie Emma Watson. Längst hat der Feminismus eingang in den Mainstream gefunden. Auch die Modeund Unterhaltungsindustrie haben den Feminisimus für sich entdeckt und versuchen nun, daraus Profit zu schlagen. Modehäuser wie H&M verkaufen T­Shirts mit der Aufschrift «Girl Power». Die richtig teure Variante für 710 US­Dollar gibt es bei Dior, mit dem Aufdruck «We all should be feminists». Aber auch dank den sozialen Medien ist der Zugang zu feministischen Diskussionen viel unmittelbarer und schneller geworden. Feminismus war bis vor ein paar Jahren noch ein Kampfwort oder vielmehr ein Schimpfwort. Heute ist es chic und vor allem massentauglich. Gleichstellung, Lohnungleichheit oder Alltagssexismus werden zwar thematisiert, aber der Diskurs bleibt konform, er stellt die Welt nicht auf den Kopf.

Fluch oder Segen?

Doch für die massentaugliche Akzeptanz bezahlt der Mainstream Feminismus einen hohen Preis: Er passt sich immer mehr kapitalistischen und patriarchalen Strukturen an. Aber liegt das Potential zur gesellschaftlichen Veränderung denn nur in einem radikaleren politischeren Feminismus oder doch eben auch in der Mobilisierung der Massen? Ist der Einzug des Feminismus in den Mainstream nun Fluch oder Segen?

Die Antwort ist nicht einfach und wird im Moment heftig diskutiert. Kritikerinnen wie Jessa Crispin, Autorin des Buches «Warum ich keine Feministin bin», sind zurecht besorgt über die Kommerzialisierung und Banalisierung der aktuellen popfeministischen Debatten und die daraus resultierende Verwässerung von wesentlichen feministischen Forderungen. Der Mainstream Feminismus ist intersektional realtiv blind, nur marginal thematisiert er die Kämpfe von armen Frauen*, farbigen Frauen*, Transmenschen usw. Nicht selten wird er sogar zum Mittäter für die Aufrechterhaltung der bestehenden Verhältnisse.

Für den Feminismus läuft es gerade sehr gut. Überall auf der Welt verschaffen sich die Frauen* für ihre feministischen Anliegen Gehör. Am 14. Juni 2019 sind in der Schweiz über eine halbe Million Frauen* und solidarische Männer auf die Strasse gegangen. In Irland, Argentinien und Chile kämpfen die Frauen* gegen die rigiden Abtreibungsverbote, in den USA demonstrieren sie gegen ihren sexistischen Präsidenten und in Indien gegen Vergewaltigungen. Unter dem Hash­ Tag MeToo machen Frauen* ihre Erfahrungen mit sexistischer Anmache, sexueller Gewalt und Belästigung öffentlich. Wie kaum eine andere Bewegung schafft es der Feminismus, transnational Millionen von Frauen* und Männern* zu mobilisieren. Der Feminismus ist im Mainstream angekommen.

Chic und massentauglich

Prominente Unterstützung erhalten diese Kämpfe von Superstars wie Beyoncé, Miley Cyrus oder Schauspielerinnen wie Emma Watson. Längst hat der Feminismus eingang in den Mainstream gefunden. Auch die Modeund Unterhaltungsindustrie haben den Feminisimus für sich entdeckt und versuchen nun, daraus Profit zu schlagen. Modehäuser wie H&M verkaufen T­Shirts mit der Aufschrift «Girl Power». Die richtig teure Variante für 710 US­Dollar gibt es bei Dior, mit dem Aufdruck «We all should be feminists». Aber auch dank den sozialen Medien ist der Zugang zu feministischen Diskussionen viel unmittelbarer und schneller geworden. Feminismus war bis vor ein paar Jahren noch ein Kampfwort oder vielmehr ein Schimpfwort. Heute ist es chic und vor allem massentauglich. Gleichstellung, Lohnungleichheit oder Alltagssexismus werden zwar thematisiert, aber der Diskurs bleibt konform, er stellt die Welt nicht auf den Kopf.

Fluch oder Segen?

Doch für die massentaugliche Akzeptanz bezahlt der Mainstream Feminismus einen hohen Preis: Er passt sich immer mehr kapitalistischen und patriarchalen Strukturen an.

Aber liegt das Potential zur gesellschaftlichen Veränderung denn nur in einem radikaleren politischeren Feminismus oder doch eben auch in der Mobilisierung der Massen? Ist der Einzug des Feminismus in den Mainstream nun Fluch oder Segen?

Die Antwort ist nicht einfach und wird im Moment heftig diskutiert. Kritikerinnen wie Jessa Crispin, Autorin des Buches «Warum ich keine Feministin bin», sind zurecht besorgt über die Kommerzialisierung und Banalisierung der aktuellen popfeministischen Debatten und die daraus resultierende Verwässerung von wesentlichen feministischen Forderungen. Der Mainstream Feminismus ist intersektional realtiv blind, nur marginal thematisiert er die Kämpfe von armen Frauen*, farbigen Frauen*, Transmenschen usw. Nicht selten wird er sogar zum Mittäter für die Aufrechterhaltung der bestehenden Verhältnisse.

Wenn der Feminismus den Frauen erlaubt, sich gleichberechtigt an der Unterdrückung der Machtlosen und Armen zu beteiligen, wenn er nicht bereit ist, den Status Quo zu erschüttern, dann will Jessa Crispin keine Feminstin mehr sein.

Es wäre nicht mehr die Herrschaft der Männer, sondern des männlichen Prinzips

Crispins Kritik am Mainstream Feminismus kann exemplarisch an den Medienbericht­erstattungen festgemacht werden, in denen diejenigen Frauen* bejubelt werden, die eine höhere Position in der Politik oder der Wirtschaft einnehmen. Es genügt eben nicht, lediglich die ‘Gläserne Decke’, sprich die ungleichen Aufstiegschancen in gesellschaft­liche Institutionen anzugreifen und Frauen* dazu aufzurufen, hohe Positionen in der Politik und in den Unternehmen anzustreben und diese dann zu bejubeln, wenn sie es geschafft haben. Es ist natürlich toll, wenn mehr Frauen* hohe politische Ämter besetzen und es mehr weibliche CEOs gibt, aber damit ist noch nichts erreicht. Im Gegenteil. Damit würden nur die männlich gprägten Macht­strukturen verfestigt, wenn wir nur denjenigen Frauen* Zugang verschaffen, die bereit sind, die Spielregeln zu akzeptieren und den Eintrittspreis zu bezahlen, nämlich sich wie ein Mann zu verhalten. Sheryl Sandberg, Geschäftsführerin von Facebook, hat unlängst ein Buch herausgegeben, in welchem sie Vorschläge macht, wie Frauen* sich besser in einem Karriere-Umfeld behaupten können, wenn nötig auch, indem sie sich über andere Frauen* hinwegsetzen. Aber damit beurteilen wir lediglich die Fähigkeiten von Frauen* männliche Attribute zu adaptieren, die Abschaffung des Patriarchats erreichen wir so nicht, lediglich seine Transformation. Kurzum: Es wäre zwar nicht mehr die Herrschaft der Männer, wenn gleich viele Frauen* wie Männer* im Topmanagement oder in der Politik sind, aber das männliche Prinzip der Fremd- und Selbstausbeutung würde weiterhin die Normalität sein.

Und damit läuft der Mainstream Feminismus Gefahr jegliche Konzeption davon aufzu­geben, was Geschlechtergleichheit oder soziale Gleichheit im Allgemeinen bedeuten. Neoliberalismus und Trickle-Down-Effekt Aber warum haben feministische Konzepte so ein einfaches Spiel im Mainstream? Nun, das ist schnell erklärt. Schliesslich leben wir in einer Welt, die geprägt ist von neoliberalen Wertevorstellungen. Und da ist es doch verführerisch zu glauben, dass alles gut wird, alles erreicht werden kann, wenn frau nur fleissig, angepasst und markt­konform ist. Aber nicht nur die Mythen des Neolibera­lismus tragen zum Erfolg dieses Mainstream Feminimsus bei, auch der scheinbar unver­rück­bare Glaube an den Trickle-Down-Effekt hat seinen Anteil. Der feste Glaube daran, dass Geld, Macht und Rechte von oben nach unten durchsickern werden, wenn nur genug Frauen* in den wichtigen Positionen sitzen. Aber keiner Arbeiterfrau* in Grossbritannien ist es je besser ergangen, nur weil Margareth Thatcher einmal Ministerpräsidentin war. Die Chancen einer Massenbewegung Die Entradikalisierung und Entpolitisierung zu Gunsten einer Massenbewegung bietet aber auch Chancen, feministische Ansätze im Mainstream zu platzieren. Hash-Tags wie MeToo trugen wesentlich dazu bei, Themen wie sexuellen Missbrauch, Alltagssexismus, sexuelle Diskriminierung öffentlich zu machen und auf die strukturelle Problematik zu verweisen, dass der Körper von Frauen* generell als (sexualisiertes) Eigentum be­trachtet wird. Nicht, dass sich damit das Problem gelöst hätte, noch immer spielt Sexismus im Alltag eine grosse Rolle. Aber solche Hash-Tags besitzen durchaus das Potential, eine Vielfalt von unterschiedlichen Lebensrealitäten und vielschichtige Diskrimi­nierungen sichtbar zu machen. Und sie können neue Debatten um Differenz, Identität und Rassismus anstossen, die eine grössere Resonanz haben und nicht im Kreise weniger verhaftet bleiben.

Immer mehr Frauen* setzten sich mit dem Feminismus auseinander, verspüren den Frust, nicht gleichberechtigt an der Gestaltung des gesellschaftlichen und privaten Lebens teilzuhaben. Und auch wenn der Mainstream Feminismus mir persönlich zu oft über Zugänge in höhere Positionen, Schönheits­bilder und – eigentlich nicht neue – femi­nistische Themen wie Körperbilder, Sexu­alität, reproduktive Rechte und Selbst­bestimmung spricht und sich weniger mit den historischen und soziokulturellen Strukturen des Patriarchats auseinandersetzt, so haben sich die Frauen* doch ein neues Selbstver­ständnis erkämpft und dieses kann weiter wachsen. Der Mainstream hat den Feminismus nicht erschaffen, sondern verschafft ihm lediglich eine breitere Reichweite.

Zum Problem wird der Mainstream Feminismus dann, wenn er mit der Gesamtheit der Feminismen ver­wechselt wird. Letztendlich geht es also weniger um die Frage: radikalerer politischer Feminimsus oder Mainstream Feminismus, sondern darum, wie diese Popularität genutzt werden kann, um den Feminismus an sich vorwärts zu bringen. Das bedeutet, wir müssen Wege finden, um das Bewusstsein und den Aktionismus für Themen zu fördern, die eben weniger trendy und attraktiv sind. Ich möchte einen Feminismus, der dem Patriarchat den Kampf ansagt, der nach einer Überwindung des Kapitalis schreit und das Versprechen der Utopie einer Solidar­gemeinschaft in sich trägt.

Sina Deiss