Ja zur Biodiversitätsinitiative

Der Grundtenor ist immer derselbe: die ignorante Stadtbevölkerung habe keine Ahnung von der Realität. Die Landbevölkerung und insbesondere die Bauern (sic) hätten durch ihre tägliche Arbeit draussen als Einzige einen Bezug und ein Verständnis der Natur. Der Bauernverband ist bis heute jede Erklärung schuldig geblieben, inwiefern eine landwirtschaftliche Ausbildung und Erfahrung Kompetenzen im Naturschutz darstellen. Der Mieter*innenverband behauptet schliesslich auch nicht, all seine Mitglieder seien kompetenter als jede*r Architekt*in, schliesslich würden sie jeden Tag in einem Haus verbringen.
In der landwirtschaftlichen Ausbildung und Praxis spielt der Umwelt- und Naturschutz (wenn er nicht ein persönliches Interesse und Hobby ist) ausschliesslich eine Rolle in Bezug auf amtliche Richtlinien und Direktzahlungsprojekte. Diese wiederum sind Ergebnisse von politischen Tauziehen und nicht von wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen. Zum Beispiel besteht die Anforderung an direktzahlungsberechtigte Betriebe, 7% ihrer landwirtschaftlichen Nutzfläche als Biodiversitätsförderflächen (BFF) auszuweisen. Die Biodiversitätskonvention der UNO hingegen geht von mindestens 30% notwendiger geschützter Fläche aus, um die Biodiversität langfristig zu erhalten.
BFF werden in der Regel dort ausgeschieden, wo eine intensive Nutzung nicht möglich ist oder umständlich wäre. Entsprechend sind diese Standorte häufig stark fragmentiert.
Für BFF gibt es in der Regel zwei Qualitätsstufen, wobei die erste ausschliesslich nach der Bewirtschaftung und nicht nach dem Ergebnis bewertet wird. Sprich, eine extensive Wiese zählt als BFF, auch wenn sie am Waldrand im Schatten liegt und nicht ansatzweise die Zeigerarten einer Magerwiese (die mit den Direktzahlungen für extensive Wiesen eigentlich gefördert werden sollte) aufweist. Die Erfahrung und das Wissen von Bäuer*innen im Biodiversitätsschutz (sowie Grundwasser-, Landschafts-, Bodenschutz etc.) beschränkt sich in der Regel auf das, was politisch bereits als Vorschrift beschlossen und entsprechend politischer Konsens ist.
Diese Überhöhung des Bauernstandes, die immer mehr auch im städtischen Umfeld verfängt, ist entsprechend hochgefährlich, da sie sämtliche Fragen zu Natur- und Landschaftsschutz von wissenschaftlichen zu emotionalen macht. Und emotionale Fragen und Kämpfe werden mit Angst, statt Fakten beantwortet und gewonnen.
«Tschüss Schweizer Lebensmittelproduktion», «Tschüss Schweizer Holz», schreien die Gegner*innen, dazu wird mit Zahlen um sich geworfen wie «30% weniger Fläche», «Kosten von über 400 Mio. Franken», ohne einen schlüssigen Beweis für diese Zahlen anzutreten.
Die Initiative fordert «[…] die zur Sicherung und Stärkung der Biodiversität erforderlichen Flächen [...]». Dabei geht es jedoch nicht um einen fixen Prozentsatz an geschützten Flächen, die ansonsten keine Funktion wahrnehmen dürfen. Es geht darum, Landnutzungskonzepte zu entwickeln, die den Schutz unserer Ressourcen auch langfristig garantieren. Viele Lebensmittel der intensiven Landwirtschaft erreichen ihre Preise nur, da ein Teil der Kosten in Form von Umweltschäden vergemeinschaftet werden.
Vielleicht kosten alle nötigen Massnahmen zum Schutz unserer Biodiversität 400 Mio. Franken, vielleicht auch doppelt oder dreimal so viel. Aber auch diese Summen sind im Vergleich klein zu den Arbeitsstunden, die eine Bestäubung von landwirtschaftlichen Kulturen von Hand kosten würde, im Vergleich zu den Ernteausfällen infolge von Schädlingsbefall, da regulierende Nützlinge fehlen, und im Vergleich zu den Kosten von technischen Reinigungen unseres Trinkwasser, wenn unsere Böden dereinst diese Funktion nicht mehr übernehmen könnten.
Kasimir Krneta, Vorstand BastA! & Landwirt