Für den Rechtsstaat - gegen Versicherungsspione

Das Gesetz, über das wir am 25. November abstimmen werden, erlaubt allen obligatorischen Sozialversicherungen – also der Invaliden‐, Unfall‐, Kranken‐ und Arbeitslosenversicherung, Versicherte durch private Detektive observieren zu lassen. Das unsorgfältig ausgearbeitete Gesetz widerspricht dem Rechtsstaat, verletzt das Menschenrecht auf Privatsphäre unverhältnismässig und gibt privaten Versicherungsdetektiven mehr Kompetenzen als der Polizei.

Gemäss dem föderalistischen Prinzip der Schweiz hat der Bund nur jene Kompetenzen, die ihm explizit zugewiesen werden. So hat der Bund zwar die Kompetenz zur Gesetzgebung im Sozialversicherungsrecht, er hat aber keine Kompetenz zur Polizeigesetzgebung, welche naturgemäss gewisse Grundrechtseinschränkungen beinhaltet. Mit diesem Gesetz setzt sich das Parlament aber bewusst über den Rechtsstaat hinweg und versucht polizeiliche Aufgaben bundesrechtlich zu regeln.

Was aber noch gravierender ist, es werden über das Gesetz sogar polizeiliche Aufgaben privatisiert und das rechtsstaatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen, indem den Versicherungen das Recht eingeräumt wird, „externe Spezialistinnen und Spezialisten mit der Observation [zu] beauftragen“, eben den Versicherungsspionen. Und diese erhalten dabei auch noch weitergehende Kompetenzen als die Polizei selber. Das beginnt schon damit, dass sogenannte

Vorermittlungen, das heisst Abklärungen vor den eigentlichen polizeilichen Ermittlungen für die Polizei nur in Ausnahmefällen möglich sind. Bei den Versicherungsspionen wären Vorermittlungen die Regel. Die Polizei darf zudem nur im öffentlichen Raum observieren, während private Versicherungsspione mit dem neuen Gesetz auch den Privatbereich überwachen dürften, sofern dieser „von einem allgemein zugänglichen Ort aus frei einsehbar ist“. Sogar private Gespräche dürften aufgezeichnet werden, was für die Polizei ohne richterliche Genehmigung ausdrücklich verboten ist. Der Einsatz von GPS­Sendern zur Ortung Versicherter ist für die Polizei nur bei schweren Delikten zugelassen, wozu der Verdacht auf Sozialhilfebetrug nicht zählt, das neue Gesetz erlaubt jedoch den Versicherungsspionen explizit die Verwendung von „technischen Instrumenten zur Standortbestimmung“. Besonders abstrus ist dies, weil auf diese Weise erhobenen Beweise vor dem Strafgericht gar nicht verwertet werden dürfen. Zum Schluss, weil es so schön ist und der Kampf gegen das untaugliche Gesetz oft als links bezeichnet wird, ein Zitat aus einem NZZ­Artikel von Daniel Gerny: „Observationen stellen einen schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre dar. Die Vorlage ist von übertriebenem Misstrauen geprägt und lässt ausser Acht, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Staat und Bürgern auch bei der Wahl der Mittel zur Missbrauchsbekämpfung nicht aus dem Blickfeld geraten darf. Unser gesamtes Staatsverständnis basiert darauf, dass Vertrauen statt Überwachung meistens zielführender ist.“

Till Kleisli