Das Debakel der Asylgesetzrevision - Ein Abwägen zwischen Gut und Böse

In diesem Frühsommer wird einmal mehr über das Asylgesetz abgestimmt. Am 5. Juni ist es soweit und es muss eine Wahl getroffen werden zwischen zwei unbefriedigenden Optionen. Diese Abstimmung wird wegweisend sein für die Weiterführung und Umsetzung des Asylwesens in der Schweiz. Wichtig ist es, sich beim Entscheid nicht von zurechtgebogenen Argumenten oder aus Trotz gegen die Rechte blenden zu lassen.

Das Parlament hat in der Herbstsession 2015 über die Revision des Asylgesetzes entschieden. Kurz darauf ergriff die SVP das Referendum, womit die Revision am 5. Juni 2016 zur Volksabstimmung gelangt. Mit den Gesetzesänderungen wird der Asylbereich grundlegend neu strukturiert. Ziel ist es, das Asylverfahren effizienter und trotzdem fair zu gestalten. Zukünftig soll dazu die Mehrheit der Verfahren in regionalen Zentren des Bundes innerhalb von 140 Tagen rechtskräftig abgeschlossen werden. Hierzu sollen sich die wichtigsten Akteure des Asylverfahrens am gleichen Ort befinden. Um einen Beschleunigungseffekt zu erzielen, werden alle Verfahrensfristen (auch die Beschwerdefrist) substanziell verkürzt. Um die raschen Verfahren rechtsstaatlich korrekt durchzuführen, soll den Asylsuchenden eine Rechtsvertretung gewährt werden. Zudem erhalten die Asylsuchenden frühzeitig Informationen über das bestehende Rückkehrhilfeangebot.

Normalerweise wird zuerst ein Gesetz erlassen, anschliessend umgesetzt und dann kritisiert. Bei der Revision des Asylgesetzes lief alles etwas anders ab. So wird seit 2014 in Zürich Altstetten die allfällige Umsetzung der Revision mit beschleunigten Verfahren getestet. In der Herbstsession 2015 passte das Parlament schliesslich das Gesetz an und am 5. Juni 2016 wird darüber abgestimmt. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) zieht aus den Erfahrungen vom Asyltestzentrum eine positive Bilanz und meint, dass die Verfahren um fast 40 Prozent verkürzt werden konnten. Grundsätzlich ist eine Beschleunigung der Verfahren wünschenswert. Diese Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu geniessen. So seien im Pilotbetrieb keine Asylbewerber berücksichtigt worden, die Wiedererwägungs- oder Mehrfachgesuche stellten, was die Resultate verfälsche.


Beschleunigte Verfahren müssen kritisch durchleuchtet werden
Durch schnellere Verfahren könnte die Situation von asylsuchenden Menschen deutlich verbessert werden und sie könnten schneller Teil der Gesellschaft werden. Es stellt sich jedoch die Frage, wie sich die Beschleunigung gestaltet. Wird damit der rechtliche Status von Menschen eingeschränkt bzw. beschnitten, müssen solche Änderungen sehr kritisch betrachtet werden. In erster Linie zielt die neue Struktur darauf ab, möglichst viele Asylsuchende möglichst schnell wieder abzuschieben. Die massive Verkürzung der Beschwerdefrist von 30 auf 10 Tage birgt die Gefahr, dass Asylsuchende ihre Rechte nicht mehr adäquat wahrnehmen können.

 

Rechtsvertretung im Auftrag vom SEM ist nicht unabhängig

Um dem entgegenzukommen, wird eine unentgeltliche Rechtsvertretung garantiert. Eine solche Rechtsvertretung für Asylsuchende wurde von linker Seite schon lange gefordert. Zentral für deren Arbeit wäre jedoch, dass deren Unabhängigkeit gewährleistet ist. Die neue Struktur genügt diesem Anspruch in verschiedenen Aspekten nicht. Zum einen besitzt das SEM die Kompetenz die für die Beratung und Rechtsvertretung eingesetzten Personen zu ersetzen. Weiter besteht für die Rechtsvertretung die Pflicht, ihr Mandat niederzulegen, wenn sie es für aussichtslos halten. Das widerspricht den wesentlichen Grundsätzen des Rechtsstaates, wodurch der Entscheid über individuelle Fälle einem ordentlichen Gericht abgenommen wird. Die unentgeltliche Rechtsvertretung wird zu einer Interessenvertretung des Staatssekretariates für Migration statt für die betroffenen asylsuchenden Menschen. Kritisch zu betrachten ist zudem die pauschale Entschädigung, was dazu führen kann, dass zeitaufwändige Rekurse gar nicht erst eingelegt werden. Das zeigt sich auch im vergleichsweise tiefen Anteil der Rekurse von 17 Prozent (sonst 25%). Als letzter Aspekt muss an der räumlichen Unabhängigkeit gezweifelt werden, weil alle involvierten Akteure künftig in den Bundeszentren angesiedelt sein sollen. Zudem handelt es sich bei der Rechtsvertretung nicht um Anwälte, auch wenn die SVP gerne damit politisiert.

 

Schnellerer Vollzug durch neue Gefängniszellen

Ein weiteres Anzeichen für die ungenügende Form der Rechtsvertretung ist der Anteilder aus dem Asyltestzentrum untergetauchten Personen, der mit über 30 Prozent dreimal so hoch ist wie bisher. Dem soll mit einem verbesserten Vollzug der Wegweisungen begegnet werden, was laut SEM bedeutet, dass die Kantone mehr Plätze für die sogenannte Administrativhaft schaffen müssen. Es sollen also mehr Gefängniszellen gestellt werden, um die Personen einzusperren, welche Angst vor dem Ausgang ihres Verfahrens haben. Deren Straftat die Flucht aus ihrer Heimat und das Gesuch um Schutz in der Schweiz sein soll.

 

Mit dem Schicksal von Menschen soll kein politisches Zeichen gesetzt werden.

Auch wenn das Referendum von der SVP ergriffen wurde, zeigen sich bei näherer Betrachtung schwerwiegende Mängel. Mit einem NEIN von Links wird damit in keiner Weise den Argumenten der rechtspopulistischen Partei zugestimmt, noch darf dies als Zuspruch zum bestehenden System gedeutet werden. Objektiv betrachtet muss diese Revision als eine weitere Verschärfung des Asylrechts gesehen werden. Daher muss die Frage gestellt werden, ob ein komplettes Umkrempeln des bestehenden Systems für eine unbefriedigende Lösung tatsächlich unterstützt werden soll. Ein NEIN kommt nicht einer Kapitulation vor der SVP gleich, sondern soll zum Einsatz anspornen, weiter für den humanitären Umgang mit jeder schutzsuchenden Personen zu kämpfen.