Vernehmlassungsantwort zur Totalrevision des Übertretungsstrafgesetzes

BastA! begrüsst grundsätzlich das Ziel einer Vereinfachung der Lesbarkeit vorhandener Rechtsnormen. Wir stellen jedoch infrage, ob die Verschiebung einzelner Strafbestimmungen in die Erlasse tatsächlich zu einer Klarstellung und Vereinfachung führt.

Gleichzeitig halten wir das Übertretungsstrafgesetz als Solches für fragwürdig und überholt. Das Übertretungsstrafgesetz versucht über Ordnungsbussen Verhalten zu regeln, das ebenso gut im Dialog mit und innerhalb der Bevölkerung geregelt werden könnte. Die Suche nach Kompromissen, die der Lebensrealität der heterogenen Quartierbevölkerung häufig stärker entgegen kommen würde, wird im Rahmen des Übertretungsstrafgesetzes an vielen Punkten an die Willkür der diensthabenden PolizistInnen ausgelagert.

Wir anerkennen jedoch, dass die Realität nicht unseren Grundüberzeugungen Rechnung trägt, weshalb wir uns für eine Überarbeitung des Übertretungsstrafgesetzes einsetzen und an der Vernehmlassung teilnehmen.

Aufgrund der Komplexität der Materie und der Vielzahl der Strafbestimmungen konzentrieren wir uns im Folgenden auf diejenigen Bestimmungen, die wir als besonders kritikwürdig erachten.

§ 4. Diensterschwerung
Wir fordern die ersatzlose Streichung des § 4
In der Vergangenheit wurde engagiertes Hinterfragen von Polizeiwillkür beispielsweise in Bezug auf Racial Profiling über den Vorwurf der Diensterschwerung gebüsst. Dabei ist eine kritische, engagierte Zivilbevölkerung wichtiger Bestandteil einer lebendigen Demokratie.
Darüber hinaus sollte der Kanton eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte einführen.

§6 Ungebührliches Verhalten
Für Laien ist es schwierig, sich konkrete Verhaltensweisen vorzustellen, die unter diese Strafbestimmung fallen. Was ist die Definition eines Verhaltens, das andere Personen „ernsthaft gefährdet, stört oder in unzumutbarer Weise belästigt?“
Wir schlagen deshalb eine entsprechende Präzisierung dieses Paragraphen vor, oder noch besser die ersatzlose Streichung.

§7 Ruhestörung und Lärm
Das Bedürfnis nach Nachtruhe ist unseres Erachtens unbedingt schützenswert. Wir können jedoch den späteren Beginn und damit die Verkürzung der Nachtruhe um eine Stunde am Freitag und Samstag nachvollziehen. Ebenso akzeptieren wir die Verkürzung der Mittagsruhe und könnten uns durchaus auch mit einer vollständigen Aufhebung der Mittagsruhe einverstanden erklären, da die Mittagsruhe nicht mehr der gängigen Lebensweise entspricht.
Lit. c) scheint uns jedoch allzu schwammig formuliert. Wie definiert sich Lärm, „der über das üblicherweise zu tolerierende Mass am fraglichen Ort oder zur fraglichen Zeit hinausgeht“? Definiert dies der Polizeibeamte, der eine Busse verfügt oder nicht? Wir beantragen deshalb, § 7 lit. c) ersatzlos zu streichen.

§ 10 Verrichten der Notdurft
Eine genügende Abdeckung des Kantons mit kostenlosen WCs für Männer UND Frauen sollte Voraussetzung für allfälliges Büssen sein. Das ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht gegeben.

§11 Betteln
Wir fordern die ersatzlose Abschaffung des Bettelverbotes.
Bettelverbote widersprechen aus menschen- und grundrechtlicher Perspektive dem Recht auf Privatleben, welches die Freiheit der Lebensgestaltung und Erwerbsfreiheit umfasst.
Betteln ist für viele Menschen die einzige Möglichkeit zur Selbsthilfe. Für jene, die spenden, ist es eine Möglichkeit zur Umverteilung – freiwillig, ohne Verwaltungsaufwand. Direkte Hilfeleistung gehört zu den selbstverständlichen sozialen Taten in einer freien Gesellschaft. Wer einem bettelnden Menschen Geld gibt, macht dies freiwillig und möchte nicht, dass dieses Geld von der Polizei eingezogen wird.
Sollte es im Zusammenhang mit Betteln tatsächlich zur Verletzung von Menschenrechten, Kindeswohl, zu Nötigung oder Menschenhandel kommen, sind dafür die entsprechenden Gesetze anzuwenden. Eine gesetzliche Parallelstruktur für marginalisierte Gruppen lehnen wir strikt ab.

§ 13 Unerlaubter Kontakt mit Inhaftierten

Wir fordern die ersatzlose Streichung des § 13.
Die strafrechtliche Verfolgung von Personen, welche mit Inhaftierten in Kontakt treten reiht sich in eine Abschottungspolitik ein, welche seit Jahren in zunehmendem Mass betrieben wird.

§ 14 Strassen- und Salonprostitution
Wir finden es ausgesprochen stossend, dass ausschliesslich Prostituierte, die ausserhalb der Toleranzzone ihre Kundschaft anwerben, gebüsst werden sollen. Herumfahrende oder herumstehende Freier stellen für die Bevölkerung eine nicht zu unterschätzende Belästigung dar. Dass sich der Blick hier lediglich auf die Sexarbeiter*innen richtet, erachten wir als problematisch.
Gleichzeitig bitten wir darum zu bedenken, dass ein solches Büssen das Vertrauensverhältnis der Sexarbeiter*innen gegenüber der Polizei beeinträchtigt. Es ist wichtig, dass sich jede Sexarbeiter*in in Notsituationen vertrauensvoll an die Polizei wenden kann. Dazu braucht es
Informationskampagnen und Präventionsarbeit, die mit den Sexarbeiter*innen gemeinsam gestaltet werden.

Darüber hinaus braucht es Schutzmassnahmen wie Ausschaffungsverbote bei angezeigten Straftatbeständen wie Vergewaltigung oder Menschenhandel. Diese Aspekte haben unserer Ansicht nach deutlichen Vorrang vor allfälligen Kontrollen und Bussen der Sexarbeiter*innen ausserhalb der Toleranzzone. Zudem empfehlen wir die Prüfung einer allfälligen Ausweitung der Toleranzzone.
Wir fordern daher die Streichung des § 14 oder eine Anpassung in unserem Sinne UND eine Berücksichtigung unserer Kritikpunkte in den zuständigen Präventionsstrategien beziehungsweise Richtlinien, Weisungen und Gesetzen.

§ 15 Versammlungen, Demonstrationen und Menschenansammlungen
Das Demonstrationsrecht ist ein Grundrecht weshalb Demonstrationen grundsätzlich erlaubt sind. Die Eingabe eines Gesuchs dient ausschliesslich dem Zweck der geordneten Durchführung, eine Kommunikation der geplanten Route ist angezeigt, damit die Polizei den Verkehr regeln kann und sich der Demonstrationszug gefahrlos auf der Strasse bewegen kann. Vor diesem Hintergrund beantragen wir die Berücksichtigung dieses Grundrechts in der Formulierung des gesamten Paragraphen, insbesondere des Abs. 1 Lit. a).

Das Vermummungsverbot lehnen wir als unnötig ab und erachten es als nicht durchsetzbar – wie es auch der erläuternde Text andeutet. Aus diesem Grund ist Lit. e) ersatzlos zu streichen. Zudem sehen wir auch an dieser Stelle eine Notwendigkeit der Kennzeichnungspflicht der diensthabenden PolizistInnen, um allfälliger Willkür und Straftaten im Amt entgegen zu wirken.

§ 29. Zuständige Polizeiorgane
Wir fordern die Streichung § 15 Abs. 2 BastA! ist der Auffassung, dass Amtshandlungen nur von erkennbar, im Amt tätigen Personen durchgeführt werden dürfen. In der Vergangenheit fiel die Basler Polizei mit einigen Skandalen auf unter denen auch Amtsmissbrauch thematisiert wurde. Fehlbares Verhalten – besonders im Amt - muss für die Bevölkerung transparent sein. Hierfür eignet sich zudem eine Kennzeichnungspflicht.

Die Übertragung von Befugnissen an weitere Organe wirft für uns einerseits die Frage auf, wie weitreichend diese Kompetenzen sein sollen. Zudem befürchten wir eine Auslagerung staatlicher Polizeiaufgaben an private Träger. Das lehnen wir strikt ab.

Wir bedanken uns für die Gelegenheit zur Stellungnahme und bitten Sie, unsere Überlegungen zu mit einzubeziehen und unsere Anträge zu berücksichtigen.

Vollständige Vernehmlassungsantwort als pdf