Verkehr ist (k)ein Naturgesetz

«Man muss zuerst den Verkehr aus den Wohnquartier und den Strassen von Basel-West rausnehmen, bevor man um überhaupt den Platz hat, um den öffentlichen Verkehr zu bringen,» behauptet der Baselbieter Regierungsrat Isaac Reber.

Als ich das am 10. Juni im Regionaljournal gehört habe, hätte ich schreien können. Wie ist es möglich, dass heute noch immer Leute und sogar Vertreter der Grünen daran glauben, dass man neue Autostrassen bauen muss, um Autoverkehr aus den Quartieren zu reduzieren? Ein kurzer Text über eine Fehlannahme, welche die Verkehrsplanung seit Jahrzehnten dominiert.

«Verkehr auf Autobahnen kanalisieren»

Es würde niemand ernsthaft behaupten, dass Autoverkehr ein Naturgesetz oder eine Naturgewalt ist. Wenn wir über Verkehr sprechen, tun wir es unbewusst trotzdem: Verkehr fliesst, oder eben nicht. Man kann ihn stauen, umleiten, oder kanalisieren. Wir sprechen über den Verkehr, als wäre er ein Fluss. Mit Verkehr ist dabei interessanter­weise immer der Autoverkehr gemeint, nicht der ÖV, die Velofahrenden oder Menschen zu Fuss.

Autoverkehr ist ein Fluss – dieses Denken ist so tief in uns verankert, dass viele unbewusst daran glauben, dass man Autoverkehr nicht einfach verhindern kann. Sie denken, dass er bei einem Hindernis ins Quartier «abfliesst». Nach dieser Logik muss der Autoverkehr in Basel «auf Hauptachsen und den Autobahnen kanalisiert [werden], um die Wohnquartiere und die Innenstadt vom Verkehr zu entlasten», wie es das Amt für Mobilität des Kantons Basel-Stadt auf der Homepage schreibt.

Eine Frage der Infrastruktur

Dass die Annahme und die daraus gezogenen Folgerungen falsch sind, hat Hermann Knoflacher, Professor für Verkehrsplanung, schon vor vielen Jahren nachgewiesen. Bei einem Rückbau der Strassenkapazitäten für Autofahrende kommt es in der Regel nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Verkehrsaufkommens auf umliegenden Strassen. Jedenfalls nicht, wenn es Alter­nativen gibt - beispielsweise den Umstieg auf den ÖV oder das Velo (die Hälfte aller Autofahrten sind weniger als 5 Kilometer lang), den Verzicht auf eine Fahrt (44% des Verkehrs sind Freizeitaktivitäten), oder die bessere Ausnutzung von Fahrzeugen (im Pendlerverkehr sitzt in 9 von 10 Autos nur eine Person).

Die Umnutzung einer Autospur zugunsten von Velorouten oder Tramtrassees, führt also nicht dazu, dass der Autoverkehr in die Quartierstrassen «abfliesst», sondern bewirkt eine Verhaltensänderung, zu der wir Menschen im Gegensatz zu einem Fluss fähig sind. Da der ÖV und der Veloverkehr im Vergleich zum Autoverkehr sehr flächen­effizient ist, wird dadurch sogar Platz frei für Bäume und Grünflächen, die wir dringend zur Kühlung der Stadt brauchen.

Noch nicht überzeugt? Um ganz sicher zu gehen, könnte man die Quartierstrassen einfach mit Pollern vom Durchgangsverkehr freihalten. Im Vergleich zum Bau von kilo­meter­langen Autotunnels wäre das ein Klacks.

Rheintunnel: Autobahn-Wahn auf Kosten von Klima und Bevölkerung

Der Bundesrat will für 2,4 Milliarden Franken eine neue Autobahn ("Rheintunnel" genannt) unter Basel hindurch graben. Der Tunnel würde bei Birsfelden starten und bei der Wiese, dem Bad. Bahnhof und der Drei­rosenbrücke an die Oberfläche kommen.

Die Dreirosenmatte würde für rund zehn Jahre zur Baustelle. Ein auch nur halbwegs brauchbarer Ersatz für die von der Bevölkerung intensiv und vielfältig genutzte Matte gibt es bis jetzt nicht. Die an der Präsentation des Bundesamts für Strassen im Juni vorgestellten Ideen sind: ein paar Bäumchen im Topf auf der Dreirosenbrücke, ein Pavillon mit Sporthalle am Rheinufer oder ein begrünter Streifen zwischen Dreirosen­brücke und Klybeckareal.

Baubeginn ist für 2029 geplant. Fertig gestellt würde die Autobahn frühestens 2040. Zum Vergleich: Basel muss bis 2030 Netto-Null erreichen. Oder wenn es nach dem Gegen­vorschlag zur Klimagerechtigkeits­initiative geht: bis spätestens 2037. Es ist vollkommen offen, wie die riesigen CO2-Emissionen aus dem Tunnelbau und Autobahnbetrieb kompensiert werden sollen, selbst wenn irgendwann die ganze Fahrzeug- und Strom­produktion für E-Autos klimaneutral ist. Aktuell verursacht ein E-Auto noch etwa halb so viel Klimaemissionen wie ein fossil betriebenes Fahrzeug. Nicht gelöst sind zudem: Platzverschwendung (Autos brauchen fahrend etwa 20mal mehr Platz als Menschen im ÖV), Lärm (schwere E-Autos sind aufgrund des Rollgeräuschs bei Tempo 50 etwa gleich laut wie fossil angetriebene Karossen) und Unfälle.
Warum also 2,4 Milliarden in ein Projekt investieren, das mit so vielen Nachteilen verbunden ist, wenn es bestehende, ausbau­fähige Lösungen wie S-Bahn, Tram und Velorouten gibt, die als positiven Nebeneffekt die Lebens­qualität in Basel und der Agglo­meration erhöhen könnten?

Deshalb ruft BastA! zusammen mit anderen Parteien und Organisationen zur Kundgebung für den Erhalt der Dreirosenmatte und den Stopp der Rheintunnelplanung auf.

Tonja Zürcher, Vorstand BastA!