Tonja Zürcher: Motion für eine unabhängige Beschwerdestelle
Opfer von diskriminierenden Personenkontrollen oder gar Polizeigewalt stehen deshalb vor sehr grossen Hürden, wenn sie sich wehren wollen. Der UNO-Menschenrechtsausschusses fordert seit langem eine unabhängige Beschwerdestelle, welche Beschwerden im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen, wie beispielsweise wegen Gewalt oder diskriminierendem Verhalten durch Polizeibeamt*innen, entgegennimmt, unparteiisch untersucht und behandelt sowie Statistik über Beschwerden, Strafverfolgungen und Verurteilungen in diesem Zusammenhang führt. In Basel-Stadt existiert jedoch bloss eine Beschwerdestelle innerhalb des JSD, die weder unabhängig ist (sie untersteht demselben Regierungsrat), noch den Anforderungen an eine wirksame Beschwerdestelle genügt. Personen, die eine Beschwerde einreichen, verfügen über keine Parteirechte, wie beispielsweise Akteneinsicht, und gegen die Beschlüsse der Beschwerdestelle können keine Rechtsmittel ergriffen werden. Zudem tritt die Beschwerdestelle nur auf Beschwerden ein, wenn sie einen Sachverhalt umfassen, der nicht mit einem ordentlichen Rechtsmittel beanstandet werden kann. Es ist daher nicht überraschend, dass zwischen 2012 und 2019 nur zwei Beschwerden bei der Beschwerdestelle des JSD eingereicht wurden. Auch die kantonale Ombudsstelle kann die Lücke nicht schliessen. Sie ist zwar unabhängig, kann jedoch bloss Vermitteln oder Empfehlungen aussprechen. Im Jahresbericht 2018 ist beispielsweise ein Fall geschildert, bei dem sich ein Ehepaar über eine diskriminierende Personenkontrolle auf offener Strasse beschwerte. Die Ombudsstelle konnte ihnen jedoch bloss ein moderiertes Gespräch zwischen den Parteien anbieten. Personen, welche im Kanton Basel-Stadt Opfer von Polizeigewalt oder Racial Profiling werden, haben daher keine wirksame und unabhängige Ansprechstelle, zu welcher sie ohne Angst vor einer Gegenanzeige, Verwässerung oder Abgewimmelt-werden wenden können.
Das Fehlen einer unabhängigen Beschwerdestelle schadet auch der Glaubwürdigkeit der Kantonspolizei und des Regierungsrats, welche sich dazu bekannt haben, gegen diskriminierendes Polizeiverhalten vorzugehen. Wenn es Regierungsrat und Polizeileitung ernst meinen, braucht es neben den unbestrittenen Präventions- und Sensibilisierungsmassnahmen auch eine unabhängige Beschwerdestelle mit den notwendigen Kompetenzen.
Die Unterzeichnenden fordern deshalb den Regierungsrat auf, eine unabhängige Beschwerdestelle in einem anderen Departement als dem JSD zu schaffen, welche Beschwerden im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen entgegennimmt, untersucht und behandelt (z.B. Überweisung an Staatsanwaltschaft oder Einleitung von Disziplinarmassnahmen).
24. Juni 2020, Tonja Zürcher (72)