Motion zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zur Einführung von Familien-Ergänzungsleistungen (FamEL) im Kanton Basel-Stadt

Die Schweiz hat 1997 die UNO-Kinderrechts-Konvention unterzeichnet, welche zum Ziel hat, Kindern ein sicheres und würdiges Leben zu ermöglichen. Armut gefährdet dieses Ziel. Dennoch leben heute in der reichen Schweiz 134‘000 Kinder in Armut. Fast ein Drittel der Sozialhilfebeziehenden sind Kinder – es ist die Altersgruppe mit der höchsten Sozialhilfequote – auch im Kanton Basel-Stadt.[1]

Armut fördert die Ungleichheit in der Gesellschaft, untergräbt die Chancengerechtigkeit bei Kindern und kann von Generation zu Generation weitergegeben werden. Kinder haben ist in der Schweiz ein Armutsrisiko. Der Familien-Barometer 2024 wie auch Caritas Schweiz berichten, dass viele Familien ihre finanzielle Situation als sehr angespannt erleben, sich dieser Not hilflos ausgesetzt fühlen und keine Zuversicht haben, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern wird. Gestiegene Lebenshaltungskosten, hohe Krankenkassenprämien, steigende Mieten und Energiekosten – das ganze Leben wird teurer und die Löhne oder andere Einnahmequellen steigen nicht im gleichen Verhältnis wie die Ausgaben. Viele Familien sind nicht mehr in der Lage, die notwendigen Ersparnisse für ausserordentliche Verpflichtungen oder Gesundheitskosten auf die Seite zu legen. Sie befinden sich in einer prekären Lebenslage, die sich nicht von allein ändern wird.[2]

Der Kanton Basel-Stadt gehört neben Neuenburg und Genf zu den Kantonen mit den höchsten Sozialhilfequoten von Minderjährigen. Gemäss dem Bundesamt für Statistik beträgt die Sozialhilfequote von Kindern in Basel-Stadt 8,3% (2022). Zudem liegt die Nichtbezugsquote der Sozialhilfe in Basel-Stadt mit rund 30% sehr hoch. Gemäss der Studie der Berner Fachhochschule haben 26-35-Jährige und Kinder (0-16) über alle Altersgruppen hinweg das höchste Nichtbezugsrisiko.[3] Ein hohes Armutsrisiko haben Einelternfamilien und Gross-Familien mit 3 Kindern und mehr sowie Eltern mit jungen Kindern von 0-3 Jahren. Nach Ansicht der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) sind Ergänzungsleistungen für Familien ein wichtiges Instrument, um die Familienarmut und die Sozialhilfeabhängigkeit zu bekämpfen.[4] Die bisherigen Erfahrungen der Kantone Genf, Tessin, Solothurn und Waadt sind vielversprechend.

In der Beantwortung des Anzugs von Melanie Nussbaumer „Alleinerziehende vor Armut schützen“ (21.5438.02) sowie in der Schriftlichen Anfrage von Oliver Bolliger „Einführung von Ergänzungsleistungen für Familien“ (19.5028.02) werden die diversen und ausgebauten Massnahmen zur individuellen Unterstützung aufgezeigt. Diese sind wichtig, reichen aber nicht aus, um Familien und Alleinerziehende vor Armut zu schützen und von der Sozialhilfe abzulösen. Es braucht weiterführende Massnahmen. Bei Familienarmut soll deshalb in Zukunft ein anderes System greifen – analog und auf dem Niveau der Ergänzungsleistungen zu IV und AHV. Dieses System muss so ausgestaltet werden, dass die bisherigen Massnahmen sinnvoll ineinandergreifen und es zu einer finanziellen Verbesserung für die armutsbetroffenen Familien kommt. Im besten Falle führt dies auch zu einer tieferen Nichtbezugsquote.

Familien-Ergänzungsleistungen sollen anstelle der Sozialhilfe zum Tragen kommen, wenn die Einnahmen aus Lohn, Alimenten, Renten und anderen Transferleistungen das Existenzminimum auf dem Niveau der Ergänzungsleistungen nicht abdeckt. Familien, die über dem Existenzminimum der EL sind, sollen weiterhin gemäss dem Grundsatz der Subsidiarität vorgelagerte bedarfsabhängige Sozialleistungen beziehen können.

Die Motionär:innen beantragen aus obengenannten Gründen vom Regierungsrat die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage innert zwei Jahren zur Einführung von Familien-Ergänzungsleistungen (FamEL) im Kanton Basel-Stadt auf dem Niveau der Ergänzungsleistungen zu IV und AHV, um die strukturelle Familienarmut zu verhindern.

Oliver Bolliger (43)

 


[1]www.statistik.bs.ch/zahlen/tabellen/13-soziale-sicherheit/sozialhilfe.html

[2]https://www.caritas.ch/de/es-braucht-eine-schweizweite-loesung-gegen-die-kinderarmut/ und familienbarometer.ch/de/

[3]arbor.bfh.ch/19212/1/Nichtbezug%20von%20Sozialhilfe%20in%20der%20Stadt%20Basel_29.08.2023.pdf

[4]skos.ch/shop/zeso-ausgaben/2023/2024