Kulturelle Teilhabe in einer vielfältigen Gesellschaft
Die Initiative will, dass neu der Kanton das freie Musikschaffen mit mindestens einem Drittel des gesamten Budgets im Bereich Musik finanziell fördert und so die Musikvielfalt berücksichtigt.
Für mich ist die Initiative Ausdruck einer gesellschaftlichen Entwicklung: Die Musiklandschaft hat sich im Laufe der Zeit verändert. Über Jahrhunderte war die klassische Musik mit ihren Orchestern und Institutionen prägend für unsere Kultur und Gesellschaft. Der Konzertsaal war ein zentraler Ort der bürgerlichen Identifikation und ihrer Fremd-Abgrenzung. Ganz anders heute: Immer mehr gewinnen die Musikgenres Pop und Rock, Jazz, Rap, Metal und Electronica an gesellschaftlicher Relevanz. Hinzu kommen die vielen Einflüsse der Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund. In Basel haben mittlerweile 53% der Bevölkerung einen Migrationshintergrund.
Mit zwei der freischaffenden Musiker*innen des Komitees der Initiative kann ich sprechen. Zuerst erreiche ich Jennifer Perez, Musikerin und Rapperin, die auf der Bühne unter dem Namen La Nefera auftritt. Von Jennifer will ich wissen, was für sie die wichtigsten Punkte der Initiative sind.
Sie erzählt, wie in vielen Köpfen immer noch einzig die klassische Musik als professionell und richtig angesehen wird, da es dafür ein Studium und jahrelanges Üben braucht. Dabei wird übersehen, dass es heute darum geht, welche Musik welche Menschen erreicht, wie sie berührt und welche Botschaften sie hat.
Immer wieder vermisse sie auch eine angemessene Wertschätzung: ihre Auftritte und die der anderen Musiker:innen seien oft sehr niederschwellig, nicht selten seien es auch kostenlose Auftritte für alle. Tatsächlich sei die finanzielle Lage schwierig und anstrengend. Platten und CDs sind fast verschwunden, Streamingdienste zahlen im Rappenbereich. Sie hätte auch schon daran gedacht, ganz mit der Musik aufzuhören. Jetzt aber, dank den Impulsen der Initiative, werde offen über die Situation der Freischaffenden gesprochen, die Musiker*innen würden sich vernetzen, und dieses Gefühl, selber versagt zu haben, sei vorbei.
Mit Fabian Gisler spreche ich einen Tag später. Von ihm möchte ich wissen, wie es zu dieser Initiative kam.
Fabian berichtet, wie 70 Musikschaffende Ende 2019 einen Brief an das Präsidialdepartement Basel geschrieben haben. Darin kritisierten sie die unausgewogene Musikförderung. Heute, fünf Jahre später, kommt die Initiative zur Abstimmung. Sie soll die Politik zum Handeln auffordern.
Auch Fabian erzählt, wie diese letzten Jahre zu einem Empowerment der Szene geführt haben. Die Szene hat gelernt, wieder an die eigene Kraft zu glauben und an die Möglichkeit, etwas zu verändern.
Mit einem Ja an der Urne kommt etwas in Gang. Bei Annahme der Initiative hat die Politik vier Jahre Zeit, eine Lösung zu finden, bei der alle Musikstile gefördert werden. Niemand soll im Regen stehen gelassen werden.
Andreas Suter, Redakteur Bulletin