Ja ich will!

Es hätte alles so schön sein können. Am 18. Dezember 2020 sagten Ständerat und Nationalrat Ja zur Ehe für alle, nachdem über sieben Jahre mit helvetischer Langsamkeit über die Vorlage debattiert wurde. Als eines der letzten Länder in Europa erlaubte nun endlich auch die Schweiz gleich­ge­schlechtlichen Paaren die Ehe.

Schliesslich garantiert die Bundesverfassung in Artikel 14 das Recht auf Ehe und Familie allen, die Einführung der Ehe für alle ist also ein längst überfälliger Schritt in Richtung Gleich­stellung. Aber die Freude hielt nur kurz. Ein überparteiliches Komitee aus christlich-konservativen und vor allem rechten Poli­tikern und Politikerinnen sieht darin eine «Verwässerung des Instituts Ehe» und hat erfolgreich das Referendum ergriffen. Des­halb muss nun das Volksmehr am 26. September über die Öffnung der Ehe für gleich­geschlechtliche Paare entscheiden.

Aus linker feministischer Sicht gibt es durch­aus Gründe, die Institution Ehe als ein Relikt des Patriarchats zu verstehen, dass es abzuschaffen gilt. Wieso also ist es so bedeu­tend, die Ehe für gleichge­schlecht­liche Paare zu öffnen?
Gesetzliche Anerkennung der gleich­ge­schlechtlichen Liebe.

Die Ehe für alle ist in erster Linie eine gesetzliche Anerkennung der gleich­ge­schlechtlichen Liebe. Der bisherige Ausschluss gleichgeschlechtliche Paare aus der Ehe impliziert, dass ihr Bedürfnis nach Bestätigung und Schutz ihrer intimen Beziehung als menschliche Wesen weniger Aufmerksamkeit verdient und es bedeutet, dass ihnen eine geringere Fähigkeit zu lieben, sich zu binden und Verantwortung zu übernehmen zugestanden wird, als heterosexuellen Paaren. Die Einführung der Ehe für alle hat auch positive Signal­wirkung für das gesellschaftliche Mit­einander. So zeigen Studien, dass in Ländern, welche die Ehe für alle bereits eingeführt haben, die Vorurteile und Übergriffe gegenüber LGBTI*-Personen abgenommen haben.

Es hat aber wichtige rechtliche Gründe, weshalb die Öffnung der Ehe für alle ein längst überfälliger Schritt in Richtung Gleichstellung ist. Gleichgeschlechtlich liebenden Menschen wird der Zugang zu ehelichen Erb- und Sozial­ver­sicherungs­rechten, dem ehelichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung, der erleichterten Einbürgerung, und der Zugang zur gemeinsamen Adoption verwehrt. Seit 2007 haben gleichgeschlechtliche Paare lediglich die Möglichkeit, ihre Partnerschaft eintragen zu lassen. Den Zivilstand «in eingetragener Partnerschaft» gibt es nur für gleich­ge­schlechtliche Paare. Zwar bietet die einge­tragene Partnerschaft gewisse rechtliche Ab­sicherungen, sie ist aber nicht mit denselben Rechten und Pflichten verbunden wie die Ehe. Im Gegenteil. In vielen wichtigen Bereichen wie Einbürgerung, Güterrecht, Hinterlassenenrente und Adoption bietet sie deutlich weniger Rechte.

Hinzu kommt, dass die eingetragene Partner­schaft gleichgeschlechtlich liebende Paare immer wieder zu Outings der eigenen sexuellen Orientierung zwingt und sie sich damit potentieller Diskriminierungen und sozialer Ausgrenzung aussetzen müssen. Denn in gewissen Dokumenten wie Arbeits- oder Mietverträgen muss die eingetragene Partnerschaft angegeben werden.

Wir stehen vor einem historischen Entscheid! Es ist höchste Zeit, dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung zu tragen und gleich­geschlechtliche Liebe endlich auch gesetzlich anzuerkennen!

Sina Deiss,
Co-Präsidentin BastA!