Gleichstellungsgesetz für alle

Auf der Mitgliederversammlung vom 21. Juni verabschiedete BastA! ein Positionspapier zur Erweiterung des Gleichstellungsgesetzes und des Gleichstellungsauftrags.

JA zu einem erweiterten Gleichstellungsauftrag

In den letzten Jahren wurden wichtige Verbesserungen erreicht im Engagement gegen Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität von der Mehrheitsbevölkerung abweichen. Hass und Hetze gegen homo- und bisexuelle Personen wurde strafrechtlich verboten und der Ausschluss von homosexuellen Paaren von der Ehe wurde aufgehoben. Im Strafvollzug wird in Basel-Stadt neu die Geschlechtsidentität explizit berücksichtigt. Und schweizweit feiern wir mit der Revision des Sexualstrafrechts einen wichtigen (Zwischen-)Erfolg: Nein heisst Nein und auch Freezing gilt als Nein. Opfer von sexualisierter Gewalt müssen endlich nicht mehr nachweisen, dass sie sich gewehrt haben. Vergewaltigung wird als solches verfolgt, unabhängig vom Geschlecht des Opfers. Das gibt Hoffung, dass wir wenn zwar langsam, aber doch stetig vorwärts kommen.

Es gibt jedoch keinen Grund, sich auszuruhen. Im Gegenteil: Vieles ist noch nicht erreicht und gleichzeitig nehmen Hass und die Hetze gegen queere Menschen zu. Rechtsextreme stürmen eine Veranstaltung für Kinder, bei der Drag-Künster*innen Märchen vorlesen. Die SVP hetzt gegen einen Gendertag an einer Schule, an dem über Geschlechterrollen und -klisches gesprochen werden sollte, bis dieser aufrund von Gewaltandrohungen abgesagt werden muss. Die Existenz(-berechtigung) von trans und nicht-binären Personen wird öffentlich in Frage gestellt. Gewalt gegen queere Menschen nimmt zu: 2022 wurden der LGBTIQ-Helpline 134 LGBTQ-feindliche Angriffe und Diskriminierungen gemeldet. Diese Entwicklung macht uns Angst.

Dabei ist die Stimmungsmache gegen Menschen, die nicht ins konservative Geschlechter- und Rollenbild passen, nicht nur in der Schweiz sondern weltweit zu beobachten – und zwar unabhängig davon, ob ein Land in diesen Fragen eine eher progressive oder konservative Politik verfolgt. Es ist keine Reaktion auf angeblich "überbordende" Forderungen oder eine zu schnelle Entwicklung, sondern eine breite und leider äusserst effektive und machtvolle Kampagne, welche die sexuelle Selbstbestimmung, die Anerkennung der Vielfalt von Geschlechtsidentitäten, Geschlechterrollen und Familienmodellen und das Recht auf Abtreibung angreift.

Wir als BastA! stehen ein für eine offene und progressive Gesellschaft, die frei von Diskriminierung, Hass und Gewalt gegen Minderheiten ist und wehren uns entschlossen gegen die Angriffe auf inter, trans, nicht-binäre, homo-, bi-, pan- und asexuelle Personen.

Ja zur Erweiterung des Gleichstellungsauftrags

BastA! unterstützt die Erweiterung des Gleichstellungsgesetzes und des Gleichstellungsauftrags auf alle Geschlechter und die sexuelle Orientierung. Es ist schlicht ein Fakt, dass es nicht nur zwei Geschlechter und heterosexuelle Beziehungen gibt. Als feministische, ökosozialistische Partei setzen wir uns dafür ein, dass Grundrechte und Menschenrechte immer, überall und für alle gelten. Es ist für uns daher klar, dass das Recht auf Gleichstellung ebenfalls für Menschen gelten muss, die nicht den heteronormativen Vorstellungen unserer Gesellschaft entsprechen.

Auch wenn es bei der Erweiterung des Gleichstellungsgesetzes in erster Linie um den Aufgabenbereich der Fachstelle für Gleichstellung geht und wesentliche Fragen wie beispielsweise die Einführung eines dritten Geschlechtseintrags auf Bundesebene gelöst werden müssen, ist die Anerkennung von inter, trans, nicht-binären, homo-, bi-, pan- und asexuellen Menschen im kantonalen Gleichstellungsgesetz von grosser Bedeutung. Aufgrund der häufigen Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen, denen queere Personen ausgesetzt sind - 2022 wurden LGBTIQ-Helpline 134 Fälle von queerfeindlicher Diskriminierung und Gewalt gemeldet, die Dunkelziffer ist hoch – leiden sie häufiger unter psychischen Belastungen und die Suizidgefahr ist deutlich höher. Dies liegt nicht an der Geschlechtsidentität oder der sexuellen Orientierung, sondern an den erlebten Feindlichkeiten, Schikanen und der fehlenden Akzeptanz in Familie, Schule, Arbeit oder Freundeskreis. Es ist deshalb wichtig, dass der Kanton Basel-Stadt die Anerkennung und Gleichstellung von Menschen fördert, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Geschlechts von der Mehrheit der Gesellschaft abweichen, und entschlossen jeder Form von Diskriminierung und Hass entgegen tritt.

BastA! fordert deshalb, dass der Kanton Basel-Stadt mit dem neuen Gleichstellungsgesetz eine Vorbildfunktion in der Förderung der Gleichstellung zwischen den Geschlechtern und Menschen unterschiedlicher sexuellen Orientierung  übernimmt und das Gleichstellungsgesetz zusätzlich zur Gleichstellung von Frauen und Männern auf die Gleichstellung verschiedener Geschlechtsidentitäten, wie Transidentität, Nichtbinarität, Intergeschlechtlichkeit und der sexuellen Orientierung erweitert wird.

Gleichstellung von Frauen und Männern bleibt

Die Gleichstellung von Frauen und Männern muss zentrale Aufgabe des Kantons bleiben. Denn noch immer bestehen grosse Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern. Neben Lohnungleichkeit, Altersarmut, Sexismus und sexualisierter Gewalt muss beispielsweise auch die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung angegangen werden. Noch immer wird der grösste Teil der Sorge- und Familienarbeit von weiblich sozialisierten Menschen geleistet, was schwerwiegende Folgen für deren finanzielle Situation hat.

BastA! setzt sich daher dafür ein, dass Frauen und Männer im Gleichstellungsgesetz weiterhin explizit genannt werden. Damit soll im Gesetzestext festgehalten werden, dass es um eine Erweiterung und nicht um einen Ersatz des bestehenden Gleichstellungsauftrags geht. Das Gesetz soll weiterhin den verfassungsmässigen Auftrag der Gleichstellung beibehalten und die Grundlage für die Erreichung tatsächlicher Gleichstellung zwischen den Geschlechtern schaffen. Nicht nur auf Gesetzesebene, sondern auch bei der Umsetzung in der Verwaltung darf bei dem bestehenden Auftrag nicht gespart werden.

Genügend Ressourcen bereit stellen

Mit dem neuen Gesetzesentwurf kommen neue Aufgaben und Kompetenzen in den Gleichstellungsbereich. Dafür soll die Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern

zwar eine zusätzliche 50%-Stelle erhalten. Dies reicht jedoch nicht, um den Aufgabenbereich des erweiterten Gleichstellungsgesetzes zu erfüllen. Zwar ergeben sich mit der Erweiterung auch Synergieeffekte und es werden heute bereits Projekte umgesetzt, welche verschiedene Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierungen umfassen, wie beispielsweise die Liste mit Empfehlungen für Kinder- und Jugendbücher. Trotzdem kann mit einer 50%-Stelle nur etwas für die tatsächliche Gleichstellung erreicht werden, wenn in allen Departementen Personen und Ressourcen für die Umsetzung bereit gestellt werden. Gleichstellung ist eine Querschnittsaufgabe, die in allen gesellschaftlichen Bereichen wahrgenommen werden muss.

BastA! fordert daher die Benennung von Gleichstellungsverantwortlichen in allen Departementen und die Bereitstellung der für diese Aufgabe notwendigen Pensen im Budgetprozess. Damit die Fachstelle neben koordinierender Aufgaben auch Projekte umsetzen und Beratungen anbieten kann, müssen die Ressourcen der Fachstelle erhöht werden. BastA! erwartet, dass dies ebenfalls Eingang in den Budgetprozess findet und wird sich dafür einsetzen, die Fachstelle mit genügend Stellen und Mitteln zu stärken.

Auswirkungen der Gesetzesrevision

Zentrale Auswirkung des neuen Gesetztes ist es, dass der Auftrag der Fachstelle erweitert wird. Sie soll sich nicht nur für die Gleichstellung von Frauen und Männern einsetzen, sondern auch für diejenigen, die aufgrund von Transidentität, Nichtbinarität, Intergeschlechtlichkeit oder ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden, und zwar in allen Lebensbereichen.

Es ist wichtig anzumerken, dass die Fragen bezüglich Schutzräumen nicht im Gesetz selbst geregelt werden. Diese Fragen entstehen nicht durch das neue Gesetz und die erweiterte Aufgabe der Fachstelle, sondern sie bestehen alleine aufgrund der Existenz der genannten Personen. Das Gesetz ermöglicht es jedoch, diese Fragen genauer zu betrachten und Lösungen zu erarbeiten, um deren Bedürfnisse und eventuelle Konflikte anzugehen.

Es ist von grosser Bedeutung, dass das neue Gesetz die Gleichstellung in Bezug auf Geschlecht und sexueller Orientierung umfassend betrachtet und keine einzelnen Personengruppen ausschliesst. Indem wir ein Gesetz erarbeiten, das die Gleichstellung ganzheitlich fördert, schaffen wir eine gerechtere und inklusivere Gesellschaft für alle.

Forderungen an die schweizweite Politik

Wir fokussieren uns aus aktuellem Anlass in diesem Positionspapier auf das kantonale Gleichstellungsgesetz. Trotzdem möchten wir die Gelegenheit nutzen, einige zentrale Forderungen an die schweizweite Politik betreffend Transidentität, Nichtbinarität, Intergeschlechtlichkeit zu äussern: Wir fordern die Einführungen eines dritten, diversen Geschlechtseintrages und/oder die Möglichkeit, im Personenstandsregister kein Geschlecht eintragen zu müssen. Hass, Hetze und Diskiminierung von trans, nicht-binären und intergeschlechtlichen Personen sowie sogenannte «Konversionstherapien» müssen strafrechtlich verboten werden. Irreversible chirurgische und hormonelle Eingriffe zur «Geschlechtsanpassung» von urteilsunfähigen, intergeschlechtlichen Kindern sind zu stoppen und strafrechtlich zu verfolgen. Zudem braucht es einen schweizweiten Aktionsplan gegen sexistische und queerfeindliche Gewalt und Diskriminierung, welcher auch die gezielte statistische Erfassung von Gewalt gegen queere Menschen beinhaltet. Zudem unterstützen wir explizit die Forderungen des feministischen Streiks 2023.

https://feministischerstreik.ch/wp-content/uploads/2023/03/Streikaufruf_2023_Feminstische-Kollektive-Schweiz_def.pdf