Gemeinsam schaffen wir es!

Am Sonntag 28. November um 14:45 Uhr stand es definitiv fest: Basel‐Stadt hat die Initiative «Ja zum echten Wohn‐

schutz» mit über 53 Prozent angenommen. Wie kam es dazu?

Eigentlich müsste man viel weiter zurückblicken, ich möchte mich aber auf die letzten etwa fünf Jahre beschränken. Angefangen hat es mit zwei Initiativen aus ganz unterschiedlichen Küchen. Zum einen die Verfassungsinitiative «Wohnen ohne Angst vor Vertreibung. JA zu mehr Rücksicht auf ältere Mietparteien (Wohnschutzinitiative)» des Mieter*innenverbands, welche einen Schutz der Wohnbevölkerung vor Verdrängung durch Kündigungen und Mietzinserhöhungen forderte. Zum anderen die vom sehr breiten und genau so losen Netzwerk Wohnungsnot lancierte Initiative «Recht auf Wohnen», die die Grundrechte der kantonalen Verfassung um das «Recht auf Wohnen» erweitern wollte. Inspiriert wurde diese Initiative von einer Initiative vom Ende der 60er: «Recht auf Wohnung und Ausbau des Familienschutzes». Diese wurde 1970 in Basel­Stadt mit 68% Ja-­Stimmen angenommen, schweizweit aber knapp abgelehnt.

Die neue Initiative «Recht auf Wohnen» hielt fest, dass jede in Basel wohnhafte Person ein Recht auf eine Wohnung hat, die ihrem Bedarf entspricht und die sie sich leisten kann. Der Kanton ist verantwortlich, dieses Recht sicher zu stellen.

Das Netzwerk Wohnen vereinte über 20 Organisationen aus den Bereichen Armutsbekämpfung, Schadensminderung und Selbsthilfe, darunter ATD Vierte Welt, Diakoniekapitel der Evangelisch­reformierte Kirche Basel, IG Wohnen, Mieterinnen­ und Mieterverband, Planet 13, Schwarzer Peter, Plusminus und Habitat sowie die Parteien BastA!, Grüne und SP. Diese beiden Initiativen kamen mit zwei weiteren Wohn­Initiativen auf Gesetzesebene (Bekanntgabe der Höhe der Vormiete bei Neuvermietungen und bezahlbare Mietgerichtsverfahren) am 10. Juni 2018 zur Abstimmung. Der Abstimmungssonntag wurde zum grossen Erfolg: alle 4 Initiativen wurden angenommen! «Recht auf Wohnen» mit 57,39%, die Wohnschutzinitiative sogar mit 61,86%.

«Diesem Sieg gingen viele Kämpfe voraus – um abrissbedrohte Häuser und für ein starkes Mietrecht, auf der Straße oder im Parlament.» schreibt Luisa Gehriger in ihrer wunderbaren Analyse «Wie die Baslerinnen das Recht auf Wohnen gewannen». Während die beiden Gesetzesinitiativen bald in Kraft gesetzt wurden, ging bei den Verfassungsinitiativen das Gerangel um die Umsetzung los. Nach langem Warten, wurde zur Umsetzung des Rechts auf Wohnen ein kommunales Wohnbauprogramm und eine Stiftung ins Leben gerufen. Beide sind wichtige Erfolge und läuteten einen Paradigmenwechsel ein: Nach Jahrzehnten der blossen Subjekthilfe (Mietzustupf für Schlecht­ verdienende) beginnt Basel wieder mit einer aktiven Wohnpolitik und dem gezielten Angebot von bezahlbaren Wohnungen – wenn auch zu zaghaft. Wohnungslose und Armutsbetroffene warten aber noch immer auf die Umsetzung ihres Rechts auf Wohnen.

Bei der Wohnschutzinitiative legte der Regierungsrat ein Gesetz vor, welches nur einen kleinen Teil der Bevölkerung geschützt und selbst für diesen Teil keine wirksame Begrenzung der Mieterhöhungen gebracht hätte. In der Bau­ und Raumplanungskommission verweigerten die Bürgerlichen von Anfang jede Mitarbeit an einer Lösung. So arbeitete die linke Hälfte (BastA!, SP und Grüne) in Rücksprache mit der Verwaltung ein eigenes Umsetzungsgesetz aus. Dieses basierte auf dem Regierungsratsvorschlag, hat aber die entscheidenden Stellen korrigiert. Mit dem Vorschlag wären grundsätzlich alle Mieter*innen geschützt, die Umwandlung in Stockwerkeigentum gebremst und der Abbruch von Häusern zu Renditezwecken verhindert worden. Im Grossen Rat schmetterte die rechte Mehrheit (inkl. GLP) den sauber ausgearbeiteten Vorschlag ab. Der Grosse Rat beschloss schlussendlich eine gegenüber dem Regierungsratsvorschlag noch verschlechterte Variante, die bloss etwa 20­30 % der Wohnungen betraf und selbst da keinen wirksamen Schutz brachte.

Nun ging es wieder ans Unterschriften sammeln: Das Referendum gegen das bürgerliche Gesetz und die Initiative «Ja zum echten Wohnschutz». Diese Initiative basiert grösstenteils auf dem Vorschlag der Linken in der Bau­ und Raumplanungskommission mit punktuellen Verbesserungen insbesondere im Bereich der Berechnung der Grenzen für die Mieterhöhungen. Geboren war die schlussendlich erfolgreiche Gesetzesinitiative «Ja zum echten Wohnschutz».

Der Erfolg an der Urne wurde von vielen Menschen erarbeitet. Angefangen hat es mit der Vernetzung zwischen den unterschiedlichsten Bewegungen, Organisationen und Verbänden. Dank dem unermüdlichen Einsatz des Schwarzen Peters und des Mieter*innenverbands gelang es, die Not der Wohnungslosen und der aus ihrem Zuhause rausgekündeten Menschen einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Mit dem Vorschlag der linken Kommissions­hälfte konnte ein detaillierter und breit abgestützter Gesetzestext präsentiert werden. Schlussendlich waren es die unglaublich engagierten Mitglieder und Aktivist*innen des Mieter*innenverbands, von Avivo, von BastA!, SP und Grünen und vielen weiteren, die auf der Strasse, auf Social Media und im persönlichen Umfeld die Menschen motiviert haben, Ja zum «echten Wohnschutz» zu stimmen.
Dass wir in Zukunft weniger Angst haben müssen, durch Kündigungen und Mieterhöhungen aus unserem Zuhause vertrieben zu werden, verdanken wir all diesen engagierten Personen und der Zusammenarbeit weit über die üblichen politischen Akteur*innen hinaus. Heute gilt es zu feiern. Morgen werden wir wieder zusammenstehen müssen, um diesen Erfolg zu verteidigen, und endlich auch Verbesserungen für die Wohnungslosen zu erreichen, die seit 2018 auf die dringend nötigen Schritte warten.

Tonja Zürcher