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Erbschaften gerechter besteuern
1987 trat Spuhler in die Stadler Fahrzeuge AG ein, die Irene Stadler-Müller leitete. Mit ihrer Nichte verheiratet, übernahm er 1989 das Unternehmen. Auf 4,3 Milliarden Franken schätzt die „Bilanz“ (12/2023) sein heutiges Vermögen.
Die JuSo wollen nun mit einer Initiative (2024) Erbschaften ab 50 Millionen Franken zu 50 Prozent besteuern. Die Einnahmen sollen dazu dienen, Umweltschäden zu beheben.
In der Schweiz werden bald hundert Milliarden Franken pro Jahr vererbt. Mit steigender Tendenz (jährlich vier Prozent). Jeder zweite Vermögensfranken ist vererbt. Die Erbschaften haben sich in den letzten fünfzehn Jahren fast verdoppelt, schreibt die NZZ am Sonntag (vom 7.7.2024) und bezieht sich dabei auf Marius Brülhart (von der Uni Lausanne).
In einer Studie wertet Brülhart auch die Erbschaften im Kanton Bern (2002-2020) aus. Drei Viertel der Erben erhalten pro Erbgang keine 100‘000 Franken. Über die Hälfte aller Fälle liegen unter 50‘000 Franken, 1,5 Prozent über einer Million und 0,15 Prozent über 5 Millionen.
Schweizweit sind die Gegensätze noch krasser, da andere Kantone mehr reiche Haushalte aufweisen. In Zürich haben sie durchschnittlich 1,57-mal so viel Vermögen, in Nidwalden viermal so viel. Wobei die versteuerten Werte die Liegenschaften nur zu 60 bis 80 Prozent des Marktwerts erfassen.
Rund 5,5 Millionen private Steuerpflichtige haben in der Schweiz ein Reinvermögen von 2‘300 Milliarden Franken. Ein Prozent besitzen fast die Hälfte und zehn Prozent über drei Viertel. Rund ein Viertel der privaten Steuerpflichtigen verfügen indes über kein steuerbares Nettovermögen und gut die Hälfte über höchstens 50‘000 Franken.
Bei den Erbschaften ist die Diskrepanz leicht geringer. Ein Prozent kommen auf 30 Prozent der gesamten Erbsummen, 10 Prozent auf 63 Prozent und 90 Prozent auf etwa einen Drittel. Da Vermögende ihre Erbschaften jedoch rentabler investieren, nehmen mit den Erbschaften längerfristig auch soziale Ungleichheiten und Spannungen weiter zu. Umso dringlicher ist ein sozialer Ausgleich über eine gerechtere Besteuerung der Erbschaften.
In den letzten Jahrzehnten haben allerdings die meisten Kantone die Steuern für Erbschaften gesenkt oder sogar abgeschafft. Zudem verwarfen (2015) 71 Prozent der Abstimmenden eine moderate nationale Erbschaftssteuer. Und etliche Privilegierte reagieren derzeit recht harsch auf die JuSo-Initiative. „Da werden Albtraumszenarien heraufbeschworen“, stellt die NZZ (ebd.) nüchtern fest.
Einzelne Reiche drohen auch damit, die Schweiz zu verlassen, um eine Erbschaftssteuer zu umgehen, die sie gar nicht berappen müssen. Sie weisen ferner auf Arbeitsplätze hin, die sie angeblich selbst kreierten und auf Steuern für Gewinne und Vermögen, die keine Erben bezahlen müssen. Da spielt viel Desinformation mit.
Nun, Unternehmen an anonyme Geldgetriebene zu „verscherbeln“, ist gewiss zu vermeiden. Mehr regionale Teilhabe fördert indes eine soziale Verantwortung. Sie entmystifiziert auch eine oft brüchige familiäre Tradition, die sich über Herkunft, Erbschaften und verwandtschaftliche Bande definiert. Der feudale Nachwuchsschutz unterläuft jedenfalls das sonst gerne gepriesene Leistungsprinzip, statt Verantwortung qualifizierter abzustützen und einseitige Abhängigkeiten zu vermindern.
Aber wenige Reiche bezahlen doch viel Steuern, lautet ein Einwand. Wenn sich Vermögen jedoch breiter verteilen, bleibt das Steuervolumen erhalten. Und dann partizipieren Tausende umso motivierter mit, Produktivitätsgewinne zu sozialisieren.
Viele Unternehmer*innen sind gewiss klug und fleissig. Sie profitieren aber vor allem von „Arbeitnehmenden“, die eigentlich Arbeitgebende sind und so privatisierte Gewinne ermöglichen. Die JuSo wollen solch paternalistische Hierarchien überwinden und unsere Gesellschaft weiter demokratisieren.
Ueli Mäder
PS: Am Donnerstag, 31. Oktober 2024 diskutiert Ueli Mäder von 19.00-20.30 im Kultur-Bistro Cheesmeyer (Hauptstrasse 55, Sissach) über die „Kraft und Krise der Demokratie“. Gäste sind Roger de Weck (Publizist) und Sibel Arslan (Nationalrätin BastA!).