Die Würde der Toten
Mit Unterstützung der Grünen- und SP-Fraktion wurde im Parlament ein „Systemwechsel“ beschlossen: Die sogenannte Widerspruchslösung. Dabei dürfen nach dem Tod dem Körper
auch ohne Organspendenausweis Organe und Gewebe entnommen werden. Es geht bei der Abstimmung nicht um die Organspende an sich, es geht aber um die „Beschaffung“ von gesunden Organen.
Offensichtlich hat die Medizin und die Politik bis jetzt nicht genug Menschen überzeugt, Organe zu spenden. Bis jetzt gilt: Ja ich will, oder: nur ein Ja ist ein Ja. Die Menschen müssen einen bewussten Entscheid fällen und einen Spendenausweis ausfüllen. Jetzt wird mit einer scheinbar kleinen Umstellung versucht, die Bedürfnisse nach Organspenden zu befriedigen. Doch damit wird tatsächlich heftig in die Autonomie des Individuums eingegriffen.
Per Gesetz wird der Körper eines frisch verstorbenen Menschen vom Staat eigentlich enteignet und in die Verwertungslogik der Konsumgesellschaft einbezogen. Aber ein toter Körper ist nicht einfach ein Rohstoff.
Merkwürdigerweise entwickeln da die Befürworter wenig Sensibilität für ethische, moralische, religiöse oder ganz einfach persönliche Bedenken. In diese soll sich der Staat auch nicht einmischen.
Und das Einholen einer Zustimmung bei Angehörigen des gerade eben verstorbenen Menschen halte ich für eine Zumutung.
Der Begriff „Spende“ wäre bei diesem Vorgehen sicher nicht mehr angebracht. Der Entscheid für eine Organspende, die diesen Namen verdient, braucht einen klaren Willensakt. Ich verlange von Niemandem eine negative Abgrenzung.
Deshalb sage ich zu diesem „Systemwechsel“ nein. Weiterhin soll gelten: Nur ein Ja ist ein Ja. Auch die Würde der Toten sollte unantastbar bleiben.
Richard Spillmann