Das neue Nachrichtengesetz löst das Problem nicht

Die Verunsicherung der Bevölkerung, die Angst vor islamistischen Terroristen darf nicht dazu führen, dass wir die Errungenschaften unserer Demokratie, unserer Grundrechte und unser Verständnis der persönlichen Freiheit und des friedlichen Zusammenlebens zu einem Grossteil aufgeben und dem Staat erlauben, unser Privatleben zu bespitzeln.
Mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz (NDG) würden die Befugnisse des Nachrichtendienstes – sprich des Geheimdienstes – massiv ausgeweitet. Dem NDB soll es in Zukunft unter anderem erlaubt sein, Überwachungsgeräte in Privaträumen zu installieren, auf privaten Computern Staatstrojaner zu installieren und private Räume und Unterlagen der Bürgerinnen und Bürger zu durchsuchen. Für diese einschneidenden Eingriffe in die Privatsphäre genügt ein Anfangsverdacht, welcher nicht vertieft erhärtet sein muss!
Mit der Kabelaufklärung würden alle in der Schweiz überwacht und nicht nur wenige Einzelne – denn mittels der Kabelaufklärung kann der NDB auf praktisch alle Inhalte der elektronischen Kommunikation wie E-Mails, Internet-Telefonie etc. zugreifen. Die Kabelaufklärung stellt eine verdachtsunabhängige Massenüberwachung dar. Wollen wir wirklich, dass der NDB unsere E-Mails, die wir an Ärzte und Anwälte, Freunde und Bekannte senden, liest? Sicher nicht. Unser Rechtsystem geht immer noch von der Unschuldsvermutung aus und das neue NDG widerspricht unseren Rechtsnormen.
Die Schweiz verfügt über ein gutes Rechtssystem. Unsere Justiz funktioniert. Mit dem Strafgesetzbuch und der Strafprozessordnung wie auch verschiedenen Nebengesetzen besteht bereits heute eine Vielzahl von Instrumenten, welche die Strafverfolgungsbehörden und die Polizei beim Kampf gegen Verbrechen und Terrorismus, einsetzen können.
Statt die unnützen und unverhältnismässigen Befugnisse des Geheimdienstes auszubauen, welcher selbst von keiner staatlichen Instanz kontrolliert werden kann, müssen wir vielmehr der Polizei und der Strafverfolgung ((genügend)) die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen.
Wie ich aus eigener Erfahrung erlebt habe, ist es sehr schwierig, im Nachhinein Auskunft zu erhalten, welche Daten über einem gesammelt worden sind und ob diese wieder gelöscht werden, wenn sie sich als nicht relevant oder unrichtig erweisen. In Basel-Stadt wurden wir türkisch-kurdisch stämmigen Grossrätinnen und Grossräte allesamt vom NDB überwacht und fichiert. Auslöser war ein Artikel, in einer den Kurden nahestehenden Zeitung, welche über unseren Einzug ins Kantonsparlament berichtete ̶. wie dies alle anderen Zeitungen bei uns in der Schweiz auch tun.
Besonders heikel ist, dass die Daten des NDB auch an Geheimdienste anderer Länder weitergegeben werden. Was diese dann wiederum mit den Informationen machen, kann nicht kontrolliert werden. Kaum gesammelt, geraten die Daten ausser Kontrolle.
Der französische Geheimdienst verfügt heute schon über weitreichende Kompetenzen– trotzdem konnten die verheerenden Anschläge vom 13. November leider nicht verhindert werden.
Ich bin überzeugt, dass wir nur dann dem Terrorismus und Extremismus entgegentreten können, wenn wir an unseren Grundwerten festhalten. Wir dürfen unsere offene Gesellschaft und unser auf Vertrauen basierendes Zusammenleben nicht aufgeben. Das würde nur den Extremisten in die Hände spielen.
Wir müssen den Menschen aus allen Kulturen, die hier bei uns in der Schweiz friedlich leben, eine Perspektive geben, so dass sich niemand menschenverachtenden Ideologien verschreibt. Die Partizipation von Migrantinnen muss in der frühen Kindheit beginnen und fortgesetzt werden, bis die zugewanderten Menschen tatsächlich einen Platz in unserer Gesellschaft gefunden haben.
Friede und Freiheit, die Wahrung der Grund- und Menschenrechte – das sind die Stärken unseres Landes – diese müssen wir bewahren.
Zuerst erschienen in der Schweiz am Sonntag (Südostschweiz), am 29.11.2015
Jetzt das Referendum zum neuen Nachrichtendienst unterschreiben.