Auf dem Weg zum autoritären Polizeistaat

Das neue Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) soll dem Staat neue Möglichkeiten im Kampf gegen Terrorismus geben. Dazu werden Grund- und Menschenrechte ausgehebelt und der Polizei zu viele Kompetenzen übertragen.

Das Bundesamt für Polizei (fedpol) soll Personen präventiv mit einer Melde- und Gesprächspflicht, einem Kontakt- oder Rayonverbot, einem Ausreiseverbot oder mit einem Hausarrest bestrafen können. Abgesehen vom Hausarrest ist dafür keine vorherige gerichtliche Prüfung notwendig. Die Massnahmen können bereits gegen Kinder ab 12 Jahren beziehungsweise 15 Jahren (Hausarrest) angeordnet werden. Um die Personen zu überwachen, stehen dem Staat weitgehende verdeckte Daten­erhebungs- und Datenauswertungs­möglich­keiten zur Verfügung.

Veränderung der staatlichen Ordnung

Das Terrorgesetz ermöglicht es, Menschen zu bestrafen, bevor sie eine Tat begangen haben: Dafür stufen die Behörden sie als «Gefährder*innen» ein. Sogenannte «Gefähr-­der­*innen» sind Personen, von denen das fedpol vermutet, dass von ihnen eine terroristische Gefahr ausgeht, aber die Hinweise nicht ausreichen, um ein Straf­verfahren zu eröffnen. Es reicht eine vage Vermutung, dass jemand in Zukunft gefährlich werden könnte.

Das Polizeigesetz bedient sich absichtlich vager Rechtsbegriffe, die den Behörden einen enormen Interpretationsspielraum lassen. Für die Anordnung der polizeilichen Massnahmen reichen dem fedpol «Anhalts­punkte», die darauf hinweisen, dass die betroffene Person in ungewisser Zukunft «eine terroristische Aktivität ausüben wird». Als «terroristische Aktivität» gelten im Gesetz «Bestrebungen zur Beeinflussung oder Veränderung der staatlichen Ordnung», unter anderem durch die «Verbreitung von Furcht und Schrecken». Bei dieser Definition wird weder die Anwendung oder Androhung von Gewalt, noch ein anderes Strafdelikt vorausgesetzt. Mit diesem weit offenen Rechtsbegriff kann selbst gesell­schaftlich breit abgestützter politischer Protest wie etwa der Klimastreik als «terroristisch» eingestuft werden.

Die Illusion der totalen Sicherheit

Für die Illusion totaler Sicherheit sollen persönliche Freiheitsrechte geopfert werden. Die Schweiz schafft mit den «Gefährder*innen» eine neue Kategorie, mit der sie Personen zu Terrorist*innen auf Verdacht macht, die keine Tat begangen haben. Die Massnahmen sind schwere Eingriffe in die Grundrechte. Dies ist inter­national einmalig und wird von Menschen­rechtsvertreter*innen und auch der UNO scharf kritisiert.
Das neue Gesetz führt zur Umgehung der regulären Strafjustiz, ihrer Grundsätze und verfahrensrechtlichen Garantien. Damit entsteht ein paralleles Rechtssystem, das der strafrechtlichen Repression gleichkommt, aber nicht die im Strafrecht verankerten verfahrensrechtlichen Garantien bietet.

Grundrechte oder Polizeistaat

Jede Person, welche Anhaltspunkte bietet, dass sie “Bestrebungen zur Beeinflussung oder Veränderung der staatlichen Ordnung” verfolgt, kann die Repression des neuen Gesetzes zu spüren bekommen. Welche politisch aktive Person will die staatliche Ordnung nicht verändern? Diese Definition lässt sich praktisch auf jede gesellschafts­kritisch aktive Person anwenden.
Gemäss menschenrechtlichen Standards sind Äusserungen, die nicht als «Aufruf zur Gewalt» einzustufen sind, durch die Meinungsfreiheit geschützt, auch wenn sie beleidigend oder kontrovers erscheinen. Das neue Gesetzt bietet die Möglichkeit, Handlungen zu verfolgen, die im Hinblick auf das Recht auf freie Meinungsäusserung legitim sind.

Das Gesetz hat deshalb eine abschreckende Wirkung auf die Meinungs- und Presse­freiheit und könnte Menschen, darunter politische Aktivist*innen oder Journa­list*innen, zur Selbstzensur drängen. Personen werden eingeschüchtert, sich im Rahmen einer öffentlichen und kontroversen Debatte kritisch zu äussern.

Die Beweislast wird umgekehrt, denn es liegt gar kein Delikt vor, das die Behörden beweisen müssen. Im Gegenteil, die betroffene Person muss den unmöglichen Beweis erbringen, dass sie keine «potenziell gefährliche Person» ist. Mit der Umkehr der Beweislast und der fehlenden systematischen Verhältnismässigkeitsprüfung durch ein Gericht hebelt das Gesetz rechtsstaatliche Grundsätze aus, deren Sinn und Zweck insbesondere in der Abwehr staatlicher Willkür liegen.

Beim Polizeigesetz besteht zudem die Gefahr, dass sich der Verdacht nicht mehr wie im Strafrecht gegen bestimmte Indi­viduen richtet, sondern als Generalverdacht gegen ganze Gruppen, in denen «Gefähr­der*innen» vermutet werden. Eine Kombi­nation von Merkmalen (Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion, …) wird für die Behörden zum Ausgangspunkt für ein Profiling und für Überwachung – und für die Betroffenen zu einem Risikofaktor. Dieses Vorgehen kann zur Stigmatisierung und Marginalisierung ganzer Bevölkerungs­gruppen führen. Eine Sicherheitspolitik, die Einschränkungen oder gar Verletzungen der Menschenrechte in Kauf nimmt, ist kurzsichtig und gefährlich. Oder wie es Benjamin Franklin sagte: «Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.»

Nicola Goepfert, Vorstand BastA!