Arealentwicklung Klybeck – Fokus Teil Klybeq (SwissLife)

Basel entwickelt aktuell verschiedene Areale. Eines der grössten und zentralsten ist das Klybeckareal (Klybeckplus genannt). Dieses erstreckt sich über die ehemaligen Werkareale von BASF und Novartis. Es bildet einen Riegel zwischen dem Matthäus- und dem Klybeckquartier und grenzt an seinen West-Ost-Enden an Rhein und Wiese. Die Arealentwicklung Klybeckplus steht zudem im Zusammenhang mit den Gebieten Klybeckquai und Westquai sowie den Entwicklungen im Bereich des Hafenbeckens.

Das Klybeckareal wurde in den letzten 150 Jahren durch die chemische Industrie geprägt, es ist seit Beginn ein Industriegebiet. Im Jahr 2016 hat der Kanton Basel-Stadt mit den Arealeigentümer*innen Novartis Pharma AG sowie der BASF eine Planungsvereinbarung unterzeichnet. Seither finden sogenannte Beteiligungsveranstaltungen statt, welche vorgeben, die Bevölkerung in die Arealentwicklung einzubinden. 2019 haben die besitzenden Chemiegiganten BASF und Novartis ihre ehemaligen Industriegebiete verkauft. 

Die Areale der BASF besitzt nun die Swiss Life unter dem Projektnamen Klybeq. Die Novartis-Areale gingen an die Rhystadt AG, welche gemäss eigenen Angaben von Schweizer Pensionskassen, Anlagestiftungen und Versicherungen gegründet wurde.

BastA! hat die Arealentwicklung von Beginn an kritisch mitverfolgt. Im Frühling 2022 wurden Vertreter*innen der Partei von den Projektverantwortlichen von Klybeq zu einem Austauschtreffen eingeladen. An diesem Anlass konnte über die grössten Kritikpunkte ausgetauscht und diskutiert werden. Wir mussten bereits dort feststellen, dass einige Widersprüche bestehen bleiben und wir eine Arealentwicklung, wie sie von den Eigentümer*innen angedacht ist, nicht unterstützen können.

Mitwirkung

Seit 2016 haben zahlreiche Mitwirkungsveranstaltungen zur Entwicklung des Klybeckaeales stattgefunden. Sie waren alle gut besucht. Hauptanliegen in allen Veranstaltungen waren der Wunsch nach bezahlbarem Wohnraum und der Wunsch nach grossen Grün-und Freiflächen und einem besseren Zugang zu Rhein und Wiese. Immer wieder war auch nach dem Umgang mit Altlasten gefragt worden. Die gleichen Themen standen bei der Anwohnerbefragung Kleinhüningen im Vordergrund. Wir haben deshalb die Diskussion auf diese Themen fokussiert. Dies umso mehr als diese Fragen in einer frühen Planungsphase entschieden werden müssen.

Viele Fragen sind an den aufwändig gestalteten Mitwirkungsveranstaltungen nicht beantwortet worden. Besonders erstaunlich war es jeweils zu hören, dass der Anteil an Grün-und Freiflächen noch nicht bekannt sei. Wir erinnern daran, dass im Planungsprozess DBAreal/Erlenmatt das Baudepartement für den 2. Wettbewerb einen Grünanteil von 8 Hektaren und eine Ausnützungsziffer von 1 festgelegt hatte und damit ein grosses Anliegen aus der Mitwirkung aufgenommen hatte. Wir fragen uns, was hat die Regierung im Entwicklungsprozess Klybeck gefordert?

Intransparente Rendite-Rechnung

Mit dem Verkauf des Areals an die Swiss Life und die Rhystadt AG hat sich die Ausgangslage geändert: Wie "Basel baut Zukunft" recherchiert hat, haben die Firmen für das – immer noch als Industrieareal eingezonte –  Areal sehr hohe 1.2 Milliarden Franken bezahlt. Zudem hat die Swiss Life im Frühjahr 2022 bekannt gegeben, dass sie bis 2024 ihre Eigenkapitalrendite über all ihre Anlagen auf 10% bis 12% steigern will. Die Swiss Life selbst wollte keine Angaben über den Kaufpreis oder ihre erwartete Rendite machen. Allerdings machten sie deutlich, dass diese zwei Grössen für die Planung entscheidend sind.

Die Firmen haben sich beim Kauf auf die vom Regierungsrat im Richtplan und im Synthesebericht genannten Konditionen (z.B. Ausnützungsziffer 3, ein Drittel "preisgünstiger Wohnraum") gestützt. Sie gehen – wie auch im bz Interview mit Herrn Fürstenberger deutlich wurde – davon aus, dass diese Konditionen erfüllt werden müssen, damit ihre Rendite realisiert wird. Das zeigt ein problematisches Demokratie-Verständnis. Die vom Regierungsrat genannten Konditionen haben keine Rechtskraft, solange nicht eine Zonenplanänderung beschlossen ist und ein Bebauungsplan vorliegt. Wie der Entscheid des Basler Verfassungsgerichts zur Initiative "Basel baut Zukunft" gezeigt hat, ist es legitim, dass das Parlament oder die Stimmbevölkerung im demokratischen Prozess weitere Bedingungen stellen, wie sich das Quartier im Sinne des öffentlichen Interesses entwickeln soll. Die Firmen müssen diesen Prozess zulassen und sich darauf einstellen, dass ihre spekulative Renditeerwartung nicht erfüllt wird. Es wäre im Sinne der Transparenz deshalb unabdingbar, dass Swiss Life und Rhystadt AG offenlegen, welchen Preis sie für das Areal bezahlt haben und mit welcher Rendite sie kurz und langfristig rechnen. 

Bezahlbarer Wohnraum

Einer der am häufigsten gehörten und für die Mehrheit der Teilnehmenden unverständlichen Begriffe an den Mitwirkungsveranstaltungen ist die Ausnützungsziffer. Man erhält sie, wenn die Bruttogeschossfläche, also die Flächen aller Stockwerke aller Bauten zusammen, durch die Grundstücksfläche geteilt wird. Je höher diese ist, desto höher und dichter darf gebaut werden und desto mehr Rendite kann aus einem Stück Land geholt werden.

In der Testplanung haben BASF und Novartis mit Einverständnis der Basler Regierung eine Ausnützungsziffer von "mindestens 3.0" gefordert, und zwar über den ganzen Planungsperimeter. D.h. inkl. Parkflächen, Strassen oder Schulplatz. Zum Vergleich: Das Erlenmatt hat dank dem Park, den Plätzen und den Naturschutzflächen insgesamt eine Ausnützungsziffer von 1.0. Selbst wenn diese Grün- und Freiflächen ganz weggelassen würden, betrüge die Ausnützungsziffer "nur" rund 2.5. Will man nicht vollständig auf Grün- und Freiflächen verzichten, kann eine Ausnützungsziffer von "mindestens 3.0" nur mit dem Bau von deutlich höheren und noch massiveren "Klötzen" realisiert werden, was die Bau- und Unterhaltskosten in die Höhe treiben. Im Vergleich zu normalen Mehrfamilienhäusern sind die Kosten und damit auch die Mieten von Hochhäusern etwa zehn bis zwanzig Prozent höher. 

Ob schlussendlich tatsächlich so hoch und dicht gebaut wird, entscheiden der Grosse Rat und die Bevölkerung. Mit der Zustimmung zur enorm hohen Ausnützungsziffer von 3.0 hat die Regierung aber bereits die Renditeerwartung und damit den Preis des Areals auf ungeheurerliche 1,2 Milliarden Franken getrieben und damit wesentlich dazu beigetragen, dass weder der Kanton selbst noch irgendwelche gemeinnützungen Wohnbauträger eine Chance hatten, das Areal zu erwerben und im Sinne der Bevölkerung zu entwickeln. Swiss Life und die Rhystadt AG spekulieren darauf, dass sie tatsächlich so dicht und hoch bauen dürfen.

Doch nicht nur die Ausnützung wird Effekte auf die Mietpreise haben: Wie die Swiss Life im Gespräch deutlich machte, will sie über die Wohnungsvermietung eine langfristig hohe Rendite für ihr investiertes Kapital erzielen (was direkt höhere Mieten zur Folge hat). Bisher scheint es für die Swiss Life deshalb auch keine Option zu sein, Boden im Baurecht an Genossenschaften abzugeben. Ebenfalls sagte sie im Gespräch, dass sie die "verlorene" tiefere Rendite bei den preisgünstigen Wohnungen kompensieren will, indem die Rendite bei den Marktwohnungen höher ist. Das lässt erahnen, dass die geplanten Marktwohnungen hauptsächlich in den obersten Preissegmenten liegen werden. Solch hohe Mieten werden unweigerlich Auswirkungen auf die Entwicklung der umliegenden Quartiere haben. Weiterhin unklar und umstritten bleibt zudem, was der Kanton unter "Preisgünstigkeit" versteht. Die von "Basel baut Zukunft" geforderte gemeinnützige Kostenmiete ist das einzige Modell, mit dem langfristig bezahlbare Mieten garantiert werden können. Ein Ja zur Initiative ist die beste existierende Option, bezahlbaren Wohnraum zumindest für die Hälfte der Wohnungen zu garantieren.

Wie das Verfassungsgericht bereits argumentierte, ist auch mit der Initiative eine wirtschaftlich sinnvolle Entwicklung möglich. Dies geht auch, ohne dass die andere Hälfte der Wohnungen nur überteuerte Luxuswohnungen sind, was die Rhystadt AG bereits in einem bz Gastbeitrag drohte. Dazu müssen aber die Firmen bereit sein, ihre hohen Renditeerwartungen zu revidieren.

Grün- und Freiflächen

Präsentiert wird uns der Plan, der vor einem Jahr schon vorgestellt worden ist und der Grundlage für das städtebauliche Leitbild sein soll.

Wir hören, dass der Grünanteil mittlerweile bei 9m2/Person sei, plus 2m2 für jeden Arbeitsplatz. Heisst das, dass der Grünanteil Gegenstand von Verhandlungen ist? Wer verhandelt? Was ist das Verhandlungsziel? Wie wird der Grünanteil berechnet? Laut Klimakonzept müssen «bei Arealentwicklungen pro Person 9 m² neue öffentliche Grünflächen geplant werden». (beim Erlenmattareal hatte die Begleitgruppe argumentiert, dass zusätzlich zum Grünanteil für die neuen Bewohner*innen die Defizite der umliegenden Quartiere ausgeglichen werden müssen). Welche Anliegen aus der Mitwirkung vertritt die Regierung? Grosszügige Sportanlagen für Schulen und alte und neue Bewohner*innen, Gärten, einen neuen Grünraum am Rhein? Neu ist die winzige «Rheinterrasse» (die auf dem Boden der Stadt liegt), um einen Block erweitert worden bis zur Mündung der zukünftigen Klybeckpromenade. Das ist ein Schritt in eine gute Richtung, aber er genügt nicht. Dass der Grünraum in der «Esplanade» sorgfältig gestaltet werden soll, ändert nichts daran, dass sich viele Menschen diesen Raum teilen werden müssen, denn die Dichte wird in dieser Zone sehr hoch sein. Anita Fetz befürchtet überdies Nutzungskonflikte mit jungen Leuten aus anderen Stadtteilen, wie sie an einer Mitwirkungsveranstaltung im letzten Jahr kundtat!

Basel hat die einzigartige Chance die Rheinpromenade unterhalb der Dreirosenbrücke im Rahmen der Neunutzung des Klybeckareals zu einem wirklich grosszügigen Grünraum am Wasser zu erweitern. Das ist das Verhandlungsziel, das wir uns wünschen und das den Anliegen, die in der Mitwirkung geäussert wurden, gerecht würde. 

Altlasten und Schadstoffe

Die 150jährige Geschichte der Chemieproduktion auf dem Klybeckareal hinterlässt Spuren in den Gebäuden und dem Boden. Chemikalien wurden verschüttet, es gab Expolsionen und lecke Abwasserrohre. Niemand weiss genau, welche Chemikalien und welche Abbaustoffe sich in welchem Ausmass im Boden befinden. Offiziell gibt es nur eine, relativ kleine Altlast, die auf Kosten der Verursachenden saniert werden muss. Der Rest des Areals gilt als "überwachsungsbedürftiger belasteter Standort". Man bezeichnet das auch als "Bauherrenaltlast". Das heisst, sie müssen im aktuellen Zustand nicht saniert werden. Wenn jedoch gebaut wird oder das Gebiet als Park oder Spielplatz genutzt werden soll, ist die Bauherrschaft für die fachgerechte Entsorgung des belasteten Aushubs verantwortlich.

Lange fragten wir uns, ob Swisslife und Rhystadt mit den Versursachenden der Verschmutzung, also mit BASF und Novartis eine Vereinbarung getroffen haben, um nicht auf den ganzen Sanierungskosten sitzen zu bleiben. Das sei nicht der Fall, sagten uns Vertretende von Swisslife. Die Investor*innen bzw. die künftigen Mieter*innen tragen somit das gesamte Risiko. Wenn sie Pech haben und die Belastung im Boden grösser als erwartet ist, schnellen die künftigen Mieten weiter in die Höhe. Seit Jahren weisen die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz darauf hin, dass der Boden wahrscheinlich deutlich stärker belastet ist, als es die offiziellen Stellen annehmen. Es ist daher zu befürchten, dass die Kosten einer vollständigen Sanierung der Chemiebelastung die möglichen Mieteinnahmen übersteigen und deshalb nur punktuell und lückenhaft saniert wird. Im Ergebnis hätten wir dann ein neues Quartier, dass teuer und trotzdem nicht frei von Giftstoffen ist.

Fazit

Die Entwicklung des Klybeckareals bleibt spannend und umstritten. Die Mitwirkung erscheint mehr als Farce wie als tatsächlicher Einbezug der Bevölkerung. Die Rendite-Rechnung der neuen Besitzer*innen ist intransparent. In den Gesprächen wurde offensichtlich, dass einerseits eine enorme Rendite erwartet wird und andererseits auf Annahmen beruht, die noch nicht feststehen. Die Verantwortlichen von Klybeq zeichneten sich vor allem durch ein mangelndes Demokratieverständnis aus und zeigten sich uneinsichtig, dass die Basler Bevölkerung bei den Grundparametern des Areals ein Wörtchen mitzureden haben.

Denn unter den aktuellen Annahmen wird bezahlbarer Wohnraum nicht nur durch den wohl überteuerten Kaufpreis verhindert. Auch die geplante sehr hohe Bebauungsdichte wird noch für Widerstand sorgen. In eine ähnliche Richtung geht es bei den Grünflächen, welche auf das gesetzliche Minimum berechnet sind. Damit kann das neue Areal keine ausgleichende Wirkung für die angrenzenden Quartiere entfalten, welche selber kaum Grünflächen haben. Die grosse Blackbox bleiben Schadstoffe, die sich in den letzten 150 Jahren auf dem Industrieareal im Boden festgesetzt haben. Sind dort die Sanierungskosten höher als angenommen, wird das unmittelbaren Einfluss auf die Arealentwicklung und die Mietpreise haben.

BastA! steht den aktuellen Plänen kritisch gegenüber und wird diese ohne merkliche Anpassungen in den genannten Punkten bekämpfen. BastA! unterstützt die Initiative "Basel baut Zukunft", weil sie ein wirksames Mittel ist, preisgünstigen Wohnraum im neuen Areal zu sichern. Es braucht gleichzeitig aber auch mehr Grünflächen und Freiraum im neuen Quartier. Vor allem aber volle Transparenz der Besitzer*innen zum Kaufpreis und ihren Rendite-Erwartungen. 

BastA! bleibt dran. Für ein lebenswertes und bezahlbares Basel für alle!